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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Jasminsträuchern, Rosen, Kamelien und soviel anderen
Blumenarten in herrlichem Durcheinander, daß die
verschiedenen Düfte mich ganz schwindlig machten. Ich ließ
mir kein Wort von diesen Unterhaltungen entgehen, wenn ich
auch sicherlich wenig verstand; so leidenschaftliche Gespräche
habe ich nie wieder gehört. Sie flüsterten sich Geheimnisse zu,
lachten schallend und redeten über alles außer über Religion aus
Rücksicht auf die Ideen von Señorita Matilde Pineda, die darauf
bestand, Gott sei eine Erfindung der Menschen, um andere
Menschen zu kontrollieren, vor allem die Frauen. Schwester
Maria Escapulario und Nivea waren katholisch, aber keine der
beiden in fanatischem Sinne, im Gegensatz zu den meisten
Leuten, von denen ich damals umgeben war. In den Vereinigten
Staaten wurde Religion nie erwähnt, in Chile dagegen war sie
Nachtischthema. Meine Großmutter und Onkel Frederick
nahmen mich bisweilen mit zur Messe, damit wir gesehen
wurden, denn nicht einmal Paulina del Valle, bei all ihrer
Verwegenheit und all ihrem Geld, konnte es sich leisten, nicht
zu erscheinen. Weder die Familie noch die Gesellschaft hätten
es geduldet. »Bist du katholisch, Großmutter?« fragte ich sie
jedesmal, wenn sie eine Spazierfahrt oder eine interessante
Lektüre aufschieben mußte, um zur Messe zu gehen. »Glaubst
du vielleicht, man könnte sich in Chile erlauben, es nicht zu
sein?«
»Señorita Pineda geht nicht zur Messe.«
    »Dann schau dir an, wie schlecht die Arme dran ist. So
intelligent, wie sie ist, könnte sie Schuldirektorin sein, wenn sie
zur Messe ginge…«
    Gegen alle Logik fügte Frederick Williams sich sehr gut in
die riesige Familie del Valle und in Chile ein. Er muß
Eingeweide aus Stahl gehabt haben, denn er war der einzige
Fremde, der keine Bauchschmerzen vom Trinkwasser bekam
und der mehrere Empanadas hintereinander essen konnte, ohne
daß sein Magen in Brand geriet. Kein Chilene, den wir kannten,
außer Severo del Valle und Don José Francisco Vergara, sprach
Englisch, obwohl in der Hafenstadt Valparaiso zahlreiche Briten
lebten, also mußte Williams sein Spanisch verbessern. Señorita
Pineda gab ihm Nachhilfeunterricht, und nach wenigen Monaten
beherrschte er es perfekt, wenn es auch immer noch ein wenig
gequetscht klang, und konnte am gesellschaftlichen Leben im
Club de la Union teilnehmen, wo er zusammen mit Patrick
Egan, dem nordamerikanischen Diplomaten, Bridge spielte.
Meine Großmutter hatte es bewirkt, daß er in den Klub
aufgenommen wurde, indem sie seine aristokratische Herkunft
und Verbindung zum englischen Königshaus andeutete, was zu
überprüfen niemand sich die Mühe machte, einesteils, weil seit
den Zeiten der Unabhängigkeit die Adelstitel sowieso
abgeschafft waren, und es andererseits genügte, den Mann
anzusehen, um es zu glauben. Die Mitglieder des Club de la
Union gehörten zu den »bekannten Familien« und waren
»bessere Herren« - Frauen durften die Schwelle des Klubs nicht
überschreiten -, und wäre Frederick Williams’ wahre Identität
entdeckt worden, hätte sich jeder einzelne dieser vornehmen
Caballeros zu Tode geniert der Schande wegen, von einem
ehemaligen Butler aus Kalifornien geprellt worden zu sein, der
sich in eines der feinsten, elegantesten, kultiviertesten
Klubmitglieder, den besten Bridgespieler und zweifellos einen
der Reichsten unter ihnen verwandelt hatte. Williams hielt sich
über die Geschäfte auf dem laufenden, um meine Großmutter
beraten zu können, und über die Politik, das Pflichtthema der
gesellschaftlichen Unterhaltungen. Er erklärte sich entschieden
als konservativ wie fast alle in unserer Familie und beklagte die
Tatsache, daß es in Chile keine Monarchie gab wie die in
Großbritannien, denn die Demokratie erschien ihm vulgär und
wenig leistungsfähig. Bei den obligaten sonntäglichen
Frühstücken im Hause meiner Großmutter diskutierte er mit
Severo und Nivea, den einzigen Liberalen des Clans. Ihre
Meinungen wichen voneinander ab, aber die drei schätzten
einander sehr, und ich glaube, heimlich machten sie sich lustig
über die anderen Ange hörigen des primitiven del ValleStammes. Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen wir mit
Don José Francisco Vergara zusammen waren, mit dem
Frederick Williams sich auf englisch hätte unterhalten können,
hielt er respektvollen Abstand; Vergara war der einzige, der ihn
mit seiner geistigen Überlegenheit einschüchtern konnte,
vielleicht der einzige, der

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