Poseidon - Der Tod ist Cool
einer Stunde also. Auf Wiederhören.“
„Ja, bis später.“
Erleichtert steckte Frenzel das Telefon in die Freisprechanlage zurück. Sein desolates Aussehen hatte er mittlerweile vergessen.
Eine Stunde später stand Frenzel vor dem Anwesen der Witwe und wartete auf das Summen des Türöffners, der das Eisentor in Bewegung setzen würde. Mit Betreten des Grundstücks tauchte er in eine scheinbar andere Welt ein. In Wirklichkeit unterschied sie sich in keiner Weise von der, die er kannte – dieselben Sorgen, dieselben Probleme. Eine Erfahrung, die er seinem Beruf verdankte.
Durch die Ledersohlen seiner Halbschuhe spürte er jeden Kiesel, der die Auffahrt zur Villa bedeckte. Der Duft der Rosenblüten, die den Weg säumten, begleitete ihn. Hannelore Falk erwartete ihn bereits – eine kleine Frau von neununddreißig Jahren mit schulterlangem, streng nach hinten gebundenem brünettem Haar. Braune Augen blickten Frenzel scheu aus einem fein gezeichneten Gesicht an. Das elegante Kostüm in konservativem Blau ließ eine zierliche Figur erkennen.
Sie stand am oberen Absatz der breit angelegten Treppe zum Eingangsbereich, eingerahmt zwischen zwei Granitsäulen.
Sie wirkte erschöpft auf ihn.
Frenzel ging lächelnd auf sie zu.
„Guten Tag, Frau Falk. Vielen Dank, dass Sie es so kurzfristig haben einrichten können.“
Sie nickte kurz.
Er kramte den Dienstausweis aus der Innentasche seiner Jacke und reichte ihn ihr. Sie nahm ihn mit spitzen Fingern entgegen. Nach gründlicher Prüfung gab sie das Dokument zurück.
„Guten Tag, Herr Hauptkommissar. Kommen Sie bitte herein.“
Sie machte eine einladende Handbewegung, reichte ihm aber nicht die Hand zur Begrüßung.
„Wenn Sie mir folgen möchten.“
Sie führte ihn über Marmorböden in das Wohnzimmer. Es hatte die Größe von Frenzels Zwei-Zimmer-Wohnung.
„Setzen Sie sich doch.“
Frenzel nahm auf einem Chippendale-Sofa Platz. Der ganze Raum war in englischem Stil eingerichtet – schwer und dunkel. Die ausladenden Fenster in Verbindung mit den Flügeltüren zur Terrasse glichen dies mehr als aus.
Er hatte mittlerweile das Cappy abgenommen. Seine Narben und die verbrannte Haut wurden sichtbar.
Die Gastgeberin saß ihm gegenüber. Sie musterte die Verletzungen. Frenzel erkannte das eigentümliche Flackern in ihren Augen, dass er schon so oft zuvor bei anderen gesehen hatte. Unsicherheit spiegelte sich darin.
„Ein Betriebsunfall. Sozusagen.“
Frenzel versuchte, locker zu klingen. Er spürte die Befremdung seiner
Gesprächspartnerin
beinahe körperlich. Eine Wand, die zwischen ihnen stand.
Hannelore Falk runzelte die Stirn.
„Aha“
Frenzel strich mit der Hand über das Leder des Sofas.
„Wunderbare Arbeit. Das gibt es heute nicht mehr oft.“
Dabei nickte er anerkennend mit dem Kopf.
„Mmh.“
Das Gespräch schien am Anfang schon zum Scheitern verurteilt.
„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“
Die Frage kam fast schüchtern über ihre Lippen.
„Gerne. Kaffee bitte, wenn es Ihnen nicht allzu große Umstände macht.“
Sie verschwand in die Küche.
Frenzel war froh, Zeit gewonnen zu haben und hatte gleichzeitig den Eindruck, ihr ginge es genauso. Er überlegte fieberhaft, mit welcher Strategie er Zugang zu ihr finden konnte. Er benötigte Informationen zu ihrem Mann. Persönliche Informationen.
Diese würde er unmöglich von ihr bekommen, wenn er mit der Tür ins Haus fiele. Sein Blick wanderte umher. Er suchte nach einem weiteren Aufhänger für einen – hoffentlich besseren - Einstieg in ihre Unterhaltung. Alleine die Inneneinrichtung der Wohnung wäre Frenzel Anlass genug gewesen, darüber zu sprechen. Hier standen all die Möbel, die er sich niemals leisten konnte, aber seinem Stilempfinden entsprachen. An den Wänden hingen Bilder von Goya und Moore.
Fantastisch!
Das Parkett bestand aus Olivenbaum. Die Farbschattierungen des Holzes flossen ineinander, wie die Körper verliebter Paare. Je länger Frenzel sich mit dem Ambiente des Zimmers auseinander setzte, desto mehr geriet er ins Schwärmen. Er hatte unzählige Bücher über die verschiedensten Epochen gelesen, kannte deren Kunst und Stilrichtungen – den Puls dieser Zeit zu spüren aber war eine andere Sache.
Und hier hämmerte er in seinen Ohren.
Es beschlich ihn jedoch das Gefühl, dass Hannelore Falk dafür taub war. Welche Saite sollte er bei ihr zum Schwingen bringen? Tief im Innern komponierten seine bisherigen Eindrücke ihr eigenes Bild von dieser
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