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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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daraufhin aus dem Keller gestürmt, hilflos, er und auch Gudrun hatten die Grenzen ihrer Macht erkannt.
    »So kommen wir nicht weiter.« Julius sprach aus, was sie beide dachten. Immerhin benennt er das Problem, dachte die enttäuschte Gudrun.
    In diesem Moment hörte sie die Gartentür in den Angeln quietschen. Sie warf einen Blick aus ihrem Küchenfenster. Es war Annette, und sie war, wie man an ihrem Schwanken sehen konnte, sternhagelvoll. Aber sie schien gespürt zu haben, dass ihre Mutter auf sie hinuntersah, jedenfalls hob sie mühsam den Kopf und erblickte Gudrun am Küchenfenster. Sie grüßte nicht, sie lächelte nicht. Stumm sahen sie sich in die Augen. Dann wandte Annette den Kopf ab, wie immer, und wankte auf die Tür ihrer Einliegerwohnung zu. Gudrun beobachtetenoch eine Weile, wie ihre Tochter sich abmühte, den Schlüssel aus ihrer Handtasche zu kramen und anschließend ins Schloss zu stecken. Niemals hielt Annette ihrem Blick stand, sie hatte es nie geschafft, ihrer Mutter Paroli zu bieten. Gudrun verachtete die Schwäche ihrer Tochter, und als sie darüber nachdachte, fasste sie einen Entschluss.
    »Ohne Gewalt kommen wir nicht weiter«, sagte sie und drehte sich zu Julius um.
    Dieser sah sie erschrocken an.
    »Du hast ihn betäubt, du hast ihn in deinen Kofferraum gesteckt, und du hast ihn hierhergebracht«, setzte sie nach. »Jetzt musst du die nächsten Schritte machen. Sonst war alles umsonst.«
    »Das kann ich nicht.« Julius umklammerte die Teetasse mit seinen sehnigen Fingern.
    »Doch, Julius, das kannst du.« Gudrun war nun zu allem entschlossen. »Ich habe ihm nichts zu essen gegeben, er ist schwach. Er kann sich nicht zur Wehr setzen.«
    »So schwach hat er aber nicht gewirkt«, wandte Julius lahm ein.
    Gudrun setzte sich an den Küchentisch und beugte sich zu ihm hinüber. »Mit Worten kommen wir hier nicht weiter. Das hast du ja wohl gemerkt. Wir können es höchstens aussitzen, bis er halb verhungert ist. Aber die Zeit habe ich nicht.«
    Sie hatte eindringlich gesprochen und fixierte Julius mit ihrem Blick. Sie war sicher, ihre Worte würden wirken.
    Julius starrte nun vor sich auf die Tasse, nur, um Gudrun nicht ansehen zu müssen. Er schüttelte leicht den Kopf, aber sie wusste, dass er endlich begriffen hatte: Er würde nicht darum herumkommen.
    »Ich habe noch nie jemandem körperlichen Schmerz zugefügt.«
    »Als Zahnarzt? Du machst Witze!«, höhnte sie.
    Erschrocken sah er sie an. »Ich bin Arzt!«
    Was für eine hehre Empörung, dachte Gudrun. Gerade als Arzt sollte er wissen, wie er jemandem Schmerzen zufügen konnte, um ihn zum Reden zu bringen. Sie hatte durchaus ihre Vorstellungen, wie man das anstellen konnte. Aber sie spürte, dass sie Julius nur verschrecken würde, wenn sie ihn darauf ansprach. Er war sensibler, als sie erhofft hatte. Seine Wut schien verraucht. Jetzt, kurz vor Mitternacht, im bläulichen Schein ihrer Küchenlampe sah er einfach nur aus wie ein armer, verzweifelter, alter Mann. Was er auch war. Dr. Julius Klinger, einem Betrüger zum Opfer gefallen, mittellos.
    »Ich muss Beate anrufen.«
    »Nein«, gebot Gudrun ihm Einhalt. »Die schläft sicher schon. Du musst sie nicht unnötig wachklingeln und aufregen. Ruf morgen an. Wenn du einen Erfolg verbuchen kannst.«
    Jetzt blickte er ihr ins Gesicht. Mit einer Mischung aus Erstaunen und Angst. Er hatte es verstanden, hatte verstanden, dass sie keine Ruhe geben würde. Hatte verstanden, dass er mit Nachdruck fragen musste. Dass er dem Mann im Keller klarmachen musste, in welcher Gefahr sich dieser befand. Sie stand auf und sah auffordernd auf ihn herab.
    »Komm. Gib ihm einen kleinen Vorgeschmack.«
    Julius zögerte, aber nur einen kurzen Moment. Dann erhob er sich, und Gudrun bildete sich ein, dass sie seine langen Knochen knacken hörte. Sie ging ihm voraus zur Treppe. Auf dem Weg ins untere Stockwerk lauschte sie, ob sie ausAnnettes Einliegerwohnung Geräusche hörte, aber dort blieb alles still. Julius folgte ihr zögerlich.
    Schließlich standen sie vor der schweren Kellertür. Volkmar hatte vor Jahren eine Brandschutztür einbauen lassen. Damals hatte sie den Sinn nicht eingesehen und die Maßnahme für reine Geldverschwendung gehalten, aber nun war sie froh darum. Man würde außerhalb des Kellers nichts hören. Gudrun öffnete die Tür und nickte Julius aufmunternd zu. Dieser starrte auf die gelb erleuchteten Betonstufen der Kellertreppe. Mechanisch öffnete er die Schnalle seines Gürtels und zog

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