Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland
Bewusstsein seiner geistigen Fähigkeiten, sein Vermögen überschrieb. Eine Bankvollmacht über sein Konto wäre günstiger gewesen, aber dann hätten sie gemeinsam bei seiner Bank vorsprechen müssen. Gudrun überlegte. Auch das überschriebene Vermögen war riskant, das würde eventuell nicht ohne weiteres gehen. Am günstigsten wäre es, er würde Überweisungen ausstellen. Daslief dann wohl bei der Bank anonym über Computer. Und die erste Rate, vielleicht 50 000 Euro, würde sie sofort an Harald weiterreichen, damit dieser endlich abhaute. Die zweite Rate würde der Gerichtsvollzieher bekommen, damit wäre die Zwangsversteigerung zunächst abgewendet.
Gudrun war mit sich zufrieden. Das war der erste Punkt auf der Liste: Überweisungsträger von Heims’ Bank besorgen. Diese sollte er unterschreiben, sie würde sie dann bei der Bank einstecken. Inzwischen würde sie Wein und Valium für Annette besorgen müssen, damit diese nicht auf falsche Ideen kam und ihren Plan gefährdete. Sie schien fasziniert von dem Gefangenen im Keller zu sein, am Ende erzählte sie noch ihren Freundinnen davon oder versuchte gar, den Mann zu befreien. Sobald Harald weg war und sie genügend Geld von Heims bekommen hatte, würde sie überlegen müssen, wie sie ihn loswurde.
Jetzt fiel ihr etwas ein. Julius hatte darüber gesprochen. Dass er sich etwas besorgt hatte. Über einen Kontakt aus dem Internet. Etwas, das er immer bei sich trug. Eine Zyankalikapsel. Weder im Trenchcoat noch in der Tasche hatte sie so etwas gefunden. Vielleicht hatte er die Kapsel in der Hosentasche? Es würde ihr nicht erspart bleiben, in die Garage zu gehen. Und in den Hosentaschen zu suchen.
Das Kartoffelwasser kochte über, es zischte und brodelte auf der Herdplatte, Gudrun nahm den Topfdeckel ab und pustete auf den Schaum, der sich gebildet hatte. Sie starrte auf die kochenden Kartoffeln und dachte dabei an den Körper, den sie gestern Nacht in den Jetta gelegt hatten. Fest verschnürt in die Decke. Und dann hatte sie noch den Kalk darüber gestreut. In der Hoffnung, dass dieser bei der Zersetzung des Leichnams helfen möge und die Geruchsbildung verhinderte.Sie konnte sich nicht vorstellen, unter diesen Umständen zu Julius’ Hosentasche vorzudringen. Aber sie unterdrückte den Brechreiz, nahm ihren Erledigungszettel vom Tisch und verstaute ihn in der Kittelschürze. Sie würde Schritt für Schritt vorgehen.
*
»Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen auch helfen.« Sie stand vor ihm, mit einer Metallschüssel, und hielt das kleine weiße Gästehandtuch, das er als Waschlappen benutzen sollte, hoch.
»Danke, nein, das kann ich schon selber«, wehrte er ab. Er sah ihr an, dass sie enttäuscht war, aber er konnte sich von ihr doch nicht waschen lassen! Ja, ihm graute es bei der Vorstellung einer Berührung.
Also stellte sie die glänzende Schüssel vor ihn hin. Das Wasser verströmte einen milden Seifengeruch, und er konnte es kaum abwarten, bis sie den Keller verlassen hatte und ihn allein ließ. Seit so vielen Tagen saß er schwitzend im Keller, er roch angewidert den beißenden Geruch, der mittlerweile von ihm ausging. Er war ihr unendlich dankbar für die aufmerksame Geste, aber er wollte, dass sie endlich verschwand. Sie zögerte, sah ihn fast bittend an, aber als er nicht reagierte, schob sie das große Handtuch noch näher an ihn heran.
»Danke.« Er zwang sich zu einem knappen Lächeln.
Sie verzog scheu den Mund und verließ den Raum.
Er riss die Knöpfe seines stinkenden Hemdes ab, schlüpfte mit der linken Hand hinaus und schob es so weit über den rechten Arm, dass es nur noch an den Handschellen hin. Dann zog er die Schüssel zu sich her und versenkte seinen Kopf darin. Er tauchte so tief wie möglich ein. Er schnaubte und rieb sich mit der freien Hand über Gesicht und Nacken.Dann kam er hoch und holte tief Luft, wie ein Ertrinkender, nur um gleich wieder unterzutauchen. Er drückte das kleine Handtuch nicht aus, sondern fuhr sich damit über den gefesselten Arm, unter die Achseln und über den Oberkörper, dass das Wasser in Bächen an ihm hinunterrann. Sein Gürtel und der Hosenbund trieften schon. Er zögerte kurz und versuchte zu horchen, ob sie vor der Tür wartete, dann zerrte er an Hose und Unterhose, bis er sich beider Kleidungsstücke entledigt hatte. Die Socken trug er schon seit Tagen nicht mehr. In gebückter Haltung wusch er sich den Unterleib, Beine und Füße, und er spürte mit jedem Zentimeter, den er sauberrieb, wie das
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