Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
sie mir ein Eis. Einer eurer Soldaten pfiff ihr hinterher. Sie ...« Fortuna verstummte abrupt, dann sprach er weiter. »Sie zog mich an der Hand und ging schneller, wollte nach Hause. Sie sagten ihr, sie soll stehen bleiben. Sie hatte Angst. Sie trug nichts in ihrer Tasche. Sie trug nichts in ihrer Tasche! «
Fortuna verstummte. Er zog die Hand von seinem Bauch weg und starrte sekundenlang auf das zähflüssige Rot, das seine Handschuhe überzog.
»Sie haben sie erschossen«, flüsterte er. »Einfach erschossen. Meine Mutter. Verstehen Sie jetzt? «
»Ja, ich verstehe«, sagte Dewey ruhig, den Blick fest auf Fortuna gerichtet. »Wir alle müssen Verluste hinnehmen. Ich habe meinen Sohn verloren und eine Frau, die ich liebte. Aber Töten bringt sie auch nicht zurück. Ich wünschte, es wäre möglich. Ich habe schon viele Leute getötet. Wenn man sieht, wie das Licht in den Augen eines Mannes erlischt, eines Mannes, den man gerade erschossen hat, der den Tod vielleicht sogar verdiente, dann wünscht man sich, ebenfalls zu sterben. Aber man stirbt nicht.« Dewey hielt einen Moment inne. »Haben der Anschlag auf Capitana und die Ermordung meiner Crew ... hat das Ihre Mutter zurückgebracht? All diese Leute umzubringen und all diese Anlagen zu zerstören, hat es sie ins Leben zurückgeholt? Ist sie jetzt hier?«
Fortunas Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an. »Es hilft«, sagte er schlicht. »Vielleicht wird ein anderer kleiner Junge nicht seine Mutter verlieren. Möglicherweise werden jene Soldaten dann nicht mehr dort kämpfen. Wenn ich hier alles lahmlege und eure Armeen im eigenen Land beschäftige.« Erneut kämpfte er gegen die Schmerzen an. »Wenn ich nur genug Zerstörung anrichte, konzentriert ihr euch vielleicht auf euch selbst. Dann könnt ihr hierbleiben und euch um eure Straßen und eure Häuser Gedanken machen. Vielleicht muss dann ein kleiner Junge in einem Land, in das ihr ohne jedes Recht eindringt, nicht mit ansehen, wie seine Mutter vor den eigenen Augen über den Haufen geschossen wird.«
»Und was ist mit dem OʼHare Airport?«, wollte Dewey wissen. Seine Stimme klang wütend. »Was ist mit dem kleinen Jungen, der an der Hand seiner Mutter in der Abfertigungsschlange steht?«
Schweigend begegnete Fortuna seinem Starren. Auf einmal fiel ihm der Zünder aus der Hand.
Deweys Finger krümmte sich um den Abzug der Maschinenpistole.
»Was habe ich getan?«, fragte Fortuna und sah Dewey an. Sein Blick flackerte. Die Blutlache auf dem Boden hatte sich vergrößert.
Dewey packte den kalten Stahl der UMP mit beiden Händen. Langsam hob er die Waffe auf Höhe des Brustbeins. Dewey ging leicht in die Knie und durchsiebte den Terroristen. Er hörte erst auf zu schießen, als das Magazin leer war.
»Ich kann dir sagen, was du getan hast«, meinte Dewey. »Du hast dich mit dem falschen Land angelegt.«
57
WEISSES HAUS
DREI TAGE SPÄTER
Die schmale Mahagonitür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Cecily Vincent, die Sekretärin des Präsidenten, steckte ihren Kopf ins Oval Office. »Sie sind da, Mr. President.«
Der Präsident, der mit den Stiefeln auf der Tischplatte dasaß, lehnte sich in seinem Sessel zurück und sagte nichts. Er las gerade den ersten Entwurf seiner Rede zur Lage der Nation, die er in wenigen Tagen halten sollte.
»Wenn Sie fertig sind, ist Marine One bereit zum Abheben.«
»Sind alle da?«
»Ja, Mr. President.«
Ein Samstagnachmittag Anfang Januar. In Washington schneite es, ein seltenes Ereignis. Der Präsident trug Bluejeans und ein marineblaues Hemd aus Wildleder, das sein Vater ihm vor über 40 Jahren in seinem letzten Jahr an der Columbia University gekauft hatte. Es befand sich in schrecklichem Zustand, an zahllosen Stellen geflickt. Noch nicht einmal die Heilsarmee hätte es als Spende angenommen. Aber von all seinen Hemden trug er es am liebsten.
»Schicken Sie Chiles und Putnam rein. Ich will es endlich hinter mich bringen. Sagen Sie der jungen Lady, dass sie sich noch ein wenig gedulden soll.«
Der Präsident nahm die Stiefel von der Tischplatte. Als die Tür aufschwang, stand er bereits hinter dem großen Kirschholz-Schreibtisch.
Louis Chiles, Direktor des FBI, und Außenminister Roger Putnam betraten den Raum. Putnam trug eine hellbraune gerippte Cordhose und einen dicken Wollpullover. Er erinnerte an einen Großvater. Ein gesetzter älterer Herr mit professorenhafter Ausstrahlung. Chiles trug einen Anzug und wirkte eher wie ein leitender Angestellter, nicht
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