PR 2668 – Neuntau
Saedelaere, ihn unter dem riesigen künstlichen Neuro-Netzwerk zu sehen, dann rissen ihn die Eindrücke und Schwingungen wieder weg. Aber war da nicht ein Thron gewesen? Ein Thron aus schwarzen Positroniken?
Alaska versuchte zu schreien, aber es gab keinen Körper mehr, der diese Gedanken und Empfindungen umwandeln konnte. Sein Wunsch verpuffte.
Mit einem Mal sah er Eroin Blitzer. Der Kleine lag reglos am Boden. Tot?
Der Terraner wollte nachsehen, seinem Begleiter helfen, doch schon trieb er wieder davon.
Dann stand Neuntau vor ihn.
»Ich habe ihn«, sagte der alte Zwergandroide.
»Hilf Blitzer«, sagte Alaska.
»Ein biologisches Gehirn wie deines«, sagte Neuntau, »hat einhundert Billionen Synapsen. Die Positroniken auf dieser Ebene kommen nicht einmal annähernd auf diese Zahl, aber sie dienen als Knoten in dem Netz, bestehen ihrerseits jeweils aus einer gewaltigen Menge von künstlichen, robotischen Neuronen. Und sie alle unterstützen nur einen einzigen Rechner.«
»Den Konstrukteur«, sagte Saedelaere.
»Sholoubwa arbeitet an der Feinjustierung des alles umgebenden Hyperfeldes.«
»Warum?«
»Er konstruiert den Freien Raum.«
Fand dieser Dialog tatsächlich statt? Oder spielte es sich nur in Saedelaeres Gehirn ab? Der Terraner versuchte zu verstehen. Er begriff, dass sich ihm eine einmalige Chance bot.
»Kannst du dich in Sholoubwas Netz einklinken, Neuntau? So, wie du es in der SHEYAR getan hast?«
»Die SHEYAR ist simpel und primitiv. Dies ist in hohem Maß komplex.«
»Lass dir von Blitzer helfen!«
»Er ist tot.«
»Nein, er ...«
... lebt noch, er muss noch leben, wollte Saedelaere sagen, doch er konnte es nur denken. Die Zeit dehnte sich, und die letzte Silbe floss in die Ewigkeit hinein. Zwischen den Positroniken zogen Rechenimpulse träge ihre Bahn, so langsam, dass der Terraner sie als Lichteffekte sah, die nur vorankrochen.
Eine weitere, finale Schwingung trieb heran, gemächlich wie die Welle an einem Badestrand. Dennoch traf sie die Ebene, traf Alaska, und ...
*
... und der Terraner stürzte zurück in die Realität.
Sämtliche Roboter waren erstarrt wie vor dem Phänomen, die Schutzschirme erloschen. Auch die Positroniken sahen wieder aus wie tote schwarze Monolithen.
»Es ist vorbei, Alraska.« Nikomus Neuntau öffnete den Helm seines Schutzanzugs. Die Wunde in seinem Gesicht klaffte weiter als je zuvor. Der Riss reichte bis zu seinem Auge, setzte sich sogar darin als blutig rote Linie fort. Das ganze Auge war milchig trüb und sonderte eine dunkle Flüssigkeit ab. Winzige metallische Einschlüsse trieben an der Oberfläche.
»Neuntau, du ...«
»Ich weiß«, unterbrach der Zwergandroide. »Aber ich kann mit dem anderen Auge sehen. Das genügt.« Er hielt einen Metallstab in der Hand, auf den er sich stützte. Der Stock hatte einen für Neuntau perfekt passenden Griff.
»Woher hast du diesen Stock?«
»Ich habe ihn mir in der alternativen Realität erdacht und von einem der Sholoubwa-Modelle erschaffen lassen.«
»Du konntest ihn ... mitnehmen?«
»Selbstverständlich. Seit ich mit Blitzer auf das neuronale Netzwerk zugegriffen habe, verstehe ich alles besser.«
»Du hast Eroin getroffen?«
»Aber sicher«, erwiderte der Zwergandroide verwundert. »Du selbst hast mir doch den Weg zu ihm gewiesen, nach unserem Gespräch.«
»Daran ... erinnere ich mich nicht«, gab Saedelaere zu. »Oder besser – wir haben unser Gespräch nie beendet, weil ich zurückgeschleudert wurde.«
»Ich war nach dem Treffen mit dir noch lange dort. Stunden, wenn nicht Tage.« Neuntau verzog den Mund zu einem Lächeln, was den Spalt stärker weitete. Ein Zahn hing lose, blieb am Fleisch der offenen Wange hängen und steckte dort wie ein fahlgelber Knochensplitter. »Die Zeit verläuft dort nicht linear.«
Saedelaere dachte an sein erstes Erlebnis in der verschobenen Realität und die temporalen Sprünge, die er erlebt hatte.
Hinter einem zerborstenen Spinnenroboter tauchte Eroin Blitzer auf. Sein Schutzanzug war über der Brust verbrannt. »Wir wissen, wo wir den Konstrukteur finden können. Wir müssen uns beeilen. Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Realitätsverschiebungen nehmen zu.«
»Sholoubwa ist nicht gerade erfreut, dass wir in seinen Positronikwald eingedrungen sind«, ergänzte Neuntau. »Wir destabilisieren alles noch mehr. Das von ihm geschaffene Hyperfeld ist sowieso nicht stabil. Es ist grob und primitiv, wo es diffizil und fein sein müsste. Es wehrt sich gegen
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