PR 2702 – Das positronische Phantom

Kurzdistanzfunk um«, gab die Lunarerin laut durch. »Ich melde mich spätestens in zwei Stunden wieder, ansonsten schicke ich euch eine Mikrodrohne. Sipiera Ende!«
    »Verstanden, Pri«, antwortete die Stimme von Jared. »Viel Glück da unten!«
    »Wir sind jetzt unter uns«, sagte Pri Sipiera kurz darauf. »Es tut mir leid, dass ich euch anlügen musste. Die ganze Sache mit dem sogenannten positronischen Phantom unterliegt der höchsten Geheimhaltungsstufe. Nur ich kenne diese Geschichte. Falls mir etwas zustoßen sollte, werden diese und weitere Informationen für den nächsten Anführer des Widerstandes verfügbar.«
    Die Nachtsichtfunktion des SERUNS schälte Pri Sipiera aus der Dunkelheit.
    »Das habe ich bisher vermutet«, sagte Perry Rhodan. »Und da wir uns nun dem NATHAN-Kern nähern, gehe ich weiter davon aus, dass dieses Phantom irgendwie mit ihm verknüpft ist.«
    »Auch damit hast du recht. Ich beginne von vorn: In dieser geheimen Kaverne, in die ich euch führe, werden wir tatsächlich Kontakt mit einem freien Teil NATHANS bekommen – aber womöglich anders, als ihr es erwartet habt.«
    Sie holte tief Luft. »In dieser Kaverne hat eine der großen NATHANologen der Menschheit gearbeitet, die heute schon legendäre Leyla Kezziban. Von dort aus werden wir noch tiefer ins Innere von NATHAN vorstoßen – sozusagen in seine Privatgemächer. In ihnen wird es kein Problem mehr sein, mit ihr direkt zu sprechen.«
    Rhodan runzelte die Stirn. Die Kernanlage des biopositronisch-hyperinpotronischen Großrechner-Netzwerks befand sich unterhalb des östlichen Ringwalls des Copernicus-Kraters in 2000 Metern Tiefe und umfasste eine Kugel von 500 Metern Durchmesser plus eine ganze Reihe von peripheren Anlagen.
    Hinzu kamen mit diesem Kern vernetzte und dezentral über den gesamten Mond verteilte Haupt- und Nebenrechner unterschiedlicher Größe, die in ihrer Gesamtheit NATHAN ausmachten.
    Rhodan fragte sich, wie um alles in der Welt es ausgerechnet innerhalb vom NATHAN-Kern ein »freier Teil« des biopositronischen Riesenrechners geben konnte.
    »Wer oder was ist diese sie, von der du sprichst?«
    »Sie ist das Erzeugnis eines aufwendigen Projekts, das Leyla Kezziban vorangetrieben hat. Mein Vater hat mich darüber ins Bild gesetzt. Das Einzige, was er nicht wusste, war der Name der genialen Kybernetikerin, die mit Leyla Kezziban an diesem Projekt gearbeitet hatte. Leider ist mir nicht bekannt, ob er ihren Namen nicht kannte oder ob er ihn einfach nicht verraten wollte.«
    Rhodan atmete tief ein. Pri Sipiera wollte es ganz offensichtlich so spannend wie möglich machen. Und sie tat es erfolgreich. Welche Enthüllung folgte jetzt?
    »Oh«, stieß Shanda Sarmotte aus.
    Welchen Gedanken hast du aus Sipiera extrahiert, Shanda?
    »Bei diesem freien Teil NATHANS«, sagte Pri Sipiera langsam, »handelt es sich um nichts weniger als um YLA, NATHANS Tochter.«



4.
    1513 NGZ (Lunare Zeit)
     
    Aus dem Tagebuch von Antonin Sipiera, Administrator von Luna:
    Wir sind glücklich, dich zu haben, Pri.
    Die Spannungen, die sich zwischen Tamea, Golo und mir aufgebaut hatten, sind verschwunden, weggewischt worden. An ihre Stelle ist eine Liebe getreten, die ich nie für möglich gehalten hätte.
    Du bist nur ein kleines Würmchen, meine Pri. Blickst uns aus deinen großen, verstehenden Augen an und bringst unsere Herzen beinahe zum Bersten. Nie hätte ich gedacht, dass man innerhalb so kurzer Zeit solche Gefühle für jemanden entwickeln könnte.
    Ich bin sicher, dass du – falls du diese Zeilen je lesen wirst – über deinen alten Vater mit seinen überschäumenden Gefühlsoffenbarungen lachen wirst. Und ich sage dir: Wenn du einmal selbst Kinder haben wirst, wirst du verstehen, weshalb ich nicht anders kann, als von dir zu schwärmen.
    Ja, wir sind glücklich, wenn wir bei dir sind und sehen, wie schnell du wächst und jeden Tag etwas Neues lernst und uns überraschst.
    Aber es gibt auch eine Wirklichkeit außerhalb unserer kleinen Familie. Und die sieht derzeit nicht rosig aus. Immer wieder wird Luna durch Beben erschüttert. Zwei Aspekte machen uns ganz besonders Angst: Erstens haben wir nach wie vor keine Ahnung, wodurch die Beben ausgelöst werden – und zweitens nehmen sie laufend an Intensität zu.
    Nach jedem Beben kleben wir förmlich vor den Trividgeräten und lassen uns von den Experten erklären, wie stark die Erschütterungen gewesen sind und welche Schäden es gegeben hat. Letzte Woche gab es bei einer Explosion