PR Andromeda 02 - Die Methanatmer
Der Zapfstrahl zur nahen Sonne erlischt, der Pol des Hypertrons gleitet langsam in seine Ausgangsposition zurück.
Kaum Restfahrt. Das Haupttriebwerk arbeitet erst mit halber Leistung – 660 Kilometer pro Sekundenquadrat beschleunigen die JOURNEE bis zum Aufbau des Metagrav- Vortex und der Grigoroff-Schicht.
Rhodans Blick frisst sich an der Anzeige des Chronometers fest. Er weiß, dass ihn seine Ahnung nicht trügt. Es dauert nicht mehr lange, dann wird der Spürkreuzer zum meistgejagten Wild in Andromeda werden. Er fürchtet diesen Augenblick, und er gesteht sich diese Furcht auch ein. Dabei geht es ihm nicht um das eigene Leben, auf sich selbst hat er nie Rücksicht genommen.
Die Ortung zeichnet.
Sechs Kastun-Kriegsschiffe im Anflug. Nacheinander materialisieren sie in großen räumlichen Abständen. Im zentralen Hologlobus erscheinen die Kursvektoren in eindeutiger Darstellung. Die Invasoren fliegen auf Abfangkurs, riskieren eine vernichtende Kollision, um den Kugelraumer am Eintritt in den Überlichtflug zu hindern.
Noch 15 Sekunden …
Impulsstrahlen ras en durch den Raum. Es sind Warnschüsse, dicht vor der JOURNEE, die zum Bremsmanöver auffordern.
Zehn Sekunden … Neun …
Die Umzingelung der Kastuns schließt sich. Zim November hat den Platz des Piloten eingenommen und die SERT-Steuerung aktiviert.
Schwerer Thermo-, Impuls- und Desintegratorbeschuss lässt die äußeren HÜ-Schirme zusammenbrechen. Zeitgleich reißt der Emotionaut das Schiff so hart herum, dass Material und Maschinen bis zum Äußersten beansprucht werden. Das Wimmern der Absorber vermischt sich mit dem Aufheulen des Intern-Alarms. Kaum eine Station zeigt Grünwerte, rot flackernde Skalen beherrschen das Bild.
Noch drei Sekunden … Belastungsanzeige der Andruckneutralisatoren bei 114 Prozent, steigend. Ein tröstlicher Gedanke: Sobald die auf das Schiff einwirkenden Gewalten durchschlagen, kommt der Tod schnell.
Die Zeit scheint stillzustehen. Ein endlos langer Augenblick, bis die Anzeige erneut umspringt. Zwei Sekunden …
Alles geschieht in dieser kurzen Spanne zwischen Bangen und Hoffen gleichzeitig. Zwei Abbilder der JOURNEE verwehen im Wirkungsfeld gegnerischer Intervallschüsse und lassen die Projektion des Virtuellbildners offenbar werden. Der Spürkreuzer feuert seine Transformgeschütze ab, legt eine Kette neu aufflammender Sonnen zwischen sich und die am nächsten stehenden Kastuns.
Dann der Übergang durch den Metagrav-Vortex. In die Grigoroff-Schicht gehüllt, rast das Schiff bezugslos durch den Hyperraum.
Die Erleichterung hält nur wenige Augenblicke an. Sie haben wieder überlebt, doch auf Dauer werden sie sich den Invasoren nicht entziehen können. Niemand zweifelt daran, dass bald alle Kastuns nach den Ortungsdaten ihres 100- Meter-Kreuzers Ausschau halten werden.
»Schadensmeldungen?«, fragt die Kommandantin. Noch sind die roten Warnanzeigen Legion.
Logbuch Spürkreuzer JOURNEE
Texteintrag vom 24. März, 22:25:00 Bordzeit;
Stellvertretender Expeditionsleiter
Benjameen da Jacinta
»Die Reparaturarbeiten wurden vor einer Stunde abgeschlossen, die Tests verlaufen zufrieden stellend. Paratron- und HÜ-Schirme können wieder in Staffelkonfiguration mit gegenläufigem Vektor aufgebaut werden. Eine vorsorgliche Überprüfung der Andruckneutralisatoren ergab keine nachweisbaren Schäden.
Vorerst behalten wir unser Versteck im Sternentstehungsgebiet bei. Einige Dutzend Lichtjahre durchmisst die Wolke aus Gas und Staub. Kaktus haben wir sie genannt, ihrer Lichtmonate langen stachelförmigen Auswüchse wegen. In einer dieser Säulen haben wir Schutz gefunden; ihre nach innen kontinuierlich abnehmende Materiedichte gleicht im Kernbereich dem interstellaren Medium. Junge Sonnen heizen die Materieschleier an und entfachen ein atemberaubendes Schauspiel, das eine Ortung weitgehend unterbindet. Unter wissenschaftlichen Aspekten würde sich die Erforschung dieses Phänomens lohnen, uns stellen sich jedoch andere Prioritäten.«
»Benjameen …« Das Konterfei des Hyperphysikers Bi Natham Sariocc erschien in der Holo- Wiedergabe des Interkoms. »Ich gehe davon aus, dass wir in Kürze den ›Stachel‹ verlassen werden …«
Der Arkonide nickte knapp. Sarioccs fast schon phlegmatische Art reizte ihn im Moment – warum, wusste er selbst nicht. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass Tess mehr Zeit mit dem kahlköpfigen Kollegen verbrachte als mit ihm, Benjameen. Dabei waren sie seit langem ein Paar,
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