PR Andromeda 03 - Der schwerelose Zug
Richterin an. »Er hat uns angeboten, uns mit seinem Schiff zu unterstützen, solange er auf Attorua weilt. Wir nehmen dankend an. Überlegt euch zusammen mit Knishek, wie wir den Kreuzer am besten einsetzen können. Wenn das erledigt ist, begleitest du den Residenten zum Amphitheater. Kapiert? Oder muss ic h’s dir eintätowieren lassen?«
Was für eine Furie, dachte Tess. Kaum zu glauben, dass dieser Mann sich das gefallen lässt.
Doch noch im selben Moment bemerkte sie ein kurzes, verräterisches Funkeln in Renis Halnays Augen, und sie begann zu begreifen.
»Du darfst ihr den ruppigen Ton nicht übel nehmen«, sagte JerChio leise. Die warme, tiefe Stimme passte perfekt zu seiner Erscheinung. »In Wahrheit hat sie ein Herz aus Gold, doch das darf sie in der Öffentlichkeit nicht zeigen, wenn sie ihre Autorität nicht verlieren will. Sie hat es auch so schon schwer genug mit Typen wie diesem Knishek.«
Er zwinkerte verschwörerisch. Tess zwinkerte zurück, fasste ihn wie beiläufig am Arm und zog ihn mit sich, hinter eine Säule der weitlä ufigen Halle, die zur Einsatzzentrale des tefrodischen Hilfskontingents umgestaltet worden war. Ihr entging nicht, dass Ben sie aus den Augenwinkeln argwöhnisch beobachtete.
Gut so.
Moriun Knishek, mit dem der Arkonide und Perry gerade die Modalitäten für den ersten Einsatz der JOURNEE aushandelten, war tatsächlich ein Kommisskopf übelster Sorte. Gewiss ein fähiger Offizier, der die militärische Logistik im Schlaf beherrschtesolange sich die Gegebenheiten so verhielten wie in seinen Lehrbüchern und alle Beteiligten wie perfekt gedrillte Soldaten. Doch hier, wo es um Millionen von Zivilisten in einer einzigartigen Ausnahmesituation ging, wo Improvisationsfähigkeit und Kompromissbereitschaft gefragt gewesen wären, befand sich der zackige, stur seinen Dienstvorschriften folgende Tefroder leider völlig fehl am Platz. Die größten Sorgen bereitete ihm allen Ernstes, wie das Verhältnis der JOURNEE zum tefrodischen Flottenkommando offiziell einzustufen wä re, und welche Dienstgrade in der militärischen Hierarchie sich für Coa Sebastian und ihre Besatzung, insbesondere aber für den Maahk, daraus ergäben!
»Furchtbar. Sag mal, wie hat es euch, dich und Renis, eigentlich hierher nach Attorua verschlagen?«, fragte Tess, während Perry und Ben sich mit Knishek und seinen Assistenten um Details der Einsatzplanung stritten. Grek-665 hatte gebeten, einer Gerichtsverhandlung beiwohnen zu dürfen.
»Nun, ich für meinen Teil war eigentlich schon immer da«, antwortete JerChio lapidar. »Was die Richterin betrifft…«
Und dann erzählte er Tess eine der fantastischsten Geschichten, die sie je gehört hatte.
Renis Halnay stammte von Kemato, einem Hinterwäldlerplaneten, gegen den Attorua nachgerade den Mittelp unkt des Universums darstellte. Als Frau »aus ärmlichen Verhältnissen« hatte sie es nicht leicht, im tefrodischen Rechtswesen Karriere zu machen, das von Männern »aus gutem Hause« dominiert wurde. Zu ihrer überragenden Intelligenz und ihrem umfassenden Fachwissen auf dem Gebiet der Exojuristik gesellte sich so im Lauf der Jahre ein beachtliches Durchsetzungsvermögen.
Vor nunmehr achtzehn attorischen Jahren wurde Renis zu einer von insgesamt zwölf Vizepräsidentinnen des Interplanetaren Gerichtshofes von Tefrod ernannt, und zugleich als Leiterin der hiesigen Außenstelle nach Attorua berufen. Sollte heißen: strafversetztweil sie es einmal zu oft gewagt hatte, den klüngelhaften Männerbünden des Justizministeriums die Stirn zu bieten. Doch aus dem scheinbaren Exil wurde eine Lebensaufgabe. Zum einen wegen der reizvollen, selbst für sie manchmal nur schwer zu bewältigenden juristischen Problemstellungen; zum anderen, weil…
JerChios Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken.
»Da gab es einen jungen Anwalt, der hier ein Praktikum absolvierte und ihr ausnehmend gut gefiel«, erzählte er. »Jedoch rein äußerlich, denn der Kerl war strohdumm, furchtbar blasiert und hatte entsetzlich konservative Ansichten. Ich habe damals als gelegentliche Botengängerin für den Gerichtshof gearbeitet, und mit der Zeit waren wir so etwas wie Vertraute geworden, daher hat sie mir das erzählt. Bei mir hatte es zu diesem Zeitpunkt längst >gefunkt<, wie ihr Terraner sagt. Also habe ich, kurz bevor jener Anwalt wieder abreiste, seinen Körper kopiert. Das war vor fünfzehn Jahren. Vor fünfzehn, wie ich hinzufügen darf, sehr glücklichen Jahren.«
Tess
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