PR Ara-Toxin 03 - Nekrogenesis
gewählter Patriarch oder eine Matriarchin. Garcia, der wie alle Beamten außerhalb der familias stand, war widerwillig fasziniert von der Art, wie die Haciendas geführt wurden. Jedes Mitglied konnte von Wahlperioden unabhängigen direkten Einfluss auf das jeweils übergeordnete Gremium nehmen. Die padres oder madres der Haciendas hingegen übten ihre Macht oft mit der Selbstherrlichkeit eines Stammeshäuptlings aus und waren in der Praxis nicht so einfach aus dem Amt zu jagen, wie die Verfassung es eigentlich vorsah.
Die Remiona haben sich schon immer darauf verstanden, ihren Dickschädel durchzusetzen und ihnen aufgestülpte Strukturen zu durchlöchern, dachte Garcia. Laut sagte er: »Der Mordfall Raol Zingerosc hätte schon vor einem Jahr der policia alianza übergeben werden müssen, aber dein padre hat sich dem stets widersetzt und alle Möglichkeiten des Systems ausgeschöpft, um es zu verhindern. Warum?«
»Weil dieser Mordfall nach Meinung des padre die policia alianza nichts angeht!«, antwortete Delgado patzig.
»Was ist deine Meinung dazu?«
Delgado zögerte einen winzigen Moment. »Ich halte auch nichts davon, dass die PA sich einmischt.«
»Der Oberste Rat hat - endlich, wie ich sagen muss - anders entschieden!«, hielt der Comisario dagegen.
»Wir in der Hacienda Extebosch sind anderer Ansicht als der Rat!«, erklärte die junge Frau. Als Garcia darauf nichts erwiderte, sondern sie nur mit gerunzelter Stirn unfreundlich ansah, fügte sie versöhnlicher hinzu: »Für den Moment beugt sich unser padre der Entscheidung, und ich darf dir trotz aller Meinungsverschiedenheiten versichern, dass ich loyal mit dir zusammenarbeiten werde.«
»Da das selbstverständlich ist, musst du es nicht betonen, Teniente!«, erwiderte Garcia gröber, als er es beabsichtigt hatte. Verärgert über sich selbst stellte er fest, dass ihm diese Janita Delgado in ihrer Mischung aus Weiblichkeit, Aufmüpfigkeit und Kollegialität ein paar Nüsse zu knacken gab. Er hoffte nur, dass sie nicht die Absicht hatte, seine Nüsse knacken zu wollen. Oder hoffte er es insgeheim doch? Er war gut fünfzehn Jahre älter als sie und fühlte sich beileibe noch nicht als Greis, aber.
Er verdrängte den Gedanken. Es gab Wichtigeres zu tun. »Warst du mit den Ermittlungen zu dem Mordfall befasst, Teniente?«
»Nein. Ich bin erst seit einem halben Jahr im Polizeidienst.«
Garcia sah sie überrascht an. War sie jünger, als er sie eingeschätzt hatte? Dann erinnerte er sich, dass er selbst ebenfalls nicht auf direktem Weg zur PA gelangt war. Und in vielen Haciendas, vor allem denen auf dem Lande, gab es ein Rotationsprinzip, mit dem verhindert werden sollte, dass sich Funktionsträger allzu stark mit ihrem Job identifizierten und ihre Macht missbrauchten. »Was hast du vorher gemacht?«
»Ich habe den Einsatz der Gleiter koordiniert.«
»Keine Polizeiausbildung?«
»Da täuschst du dich«, sagte sie schnippisch. »Ich bin Absolventin der Polizeischule von Nicalos.«
Das erklärte den Kombistrahler. In Nicalos schwor man auf diese Waffen. Aber es war eine gute Schule, eine der besten des Kontinents.
»Lies meinen Datenchip, wenn du wissen willst, wie ich abgeschnitten habe.«
Garcia zuckte die Achseln. »Bei Gelegenheit, verlass dich darauf. Aber ich bezweifle nicht, dass du Jahrgangsbeste warst.«
Delgado zog nur die Nase kraus und blitzte ihn aus braunen Mandelaugen an, ohne weiter darauf einzugehen.
»Was produziert die Hacienda Extebosch?«, fragte der Comisario.
»Colocados.«
Garcia nickte. Vermutlich war die Hacienda eine jener vielen Kleinstädte in Holchuin, in der die Früchte geerntet, weiterverarbeitet und schließlich in die großen Städte gebracht wurden. Das passte. Marco Dochschué, für Garcia einer der Mordverdächtigen, war ein allseits geschätzter Colocados-Experte, der auf Extebosch weilte, um dort neue Kultivierungstechniken zu lehren.
»Wer hat damals die Ermittlungen geleitet?«
»Fredo Cadoso. Er lebt inzwischen nicht mehr.«
Garcia konnte sich nicht verkneifen, sarkastisch zu fragen: »Auch ermordet?«
Delgado lächelte humorlos. »Nein. Er war ein alter Mann und ist eines natürlichen Todes gestorben. Wenn du glaubst, dass die Hacienda Extebosch ein Mördernest ist, täuschst du dich. Wir müssen während der puentes manchmal ein paar Hitzköpfe wegsperren, die sich allzu deftige Schlägereien geliefert haben, aber ansonsten geht es bei uns sehr friedlich zu. Der Mord an Zingerosc war in den letzten
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