PR Ara Toxin 6 Der Unlichtplanet
Eine Mutter, die niemals den Geburtsschmerz vergisst; ein Sohn, der sich Tag für Tag an den Tod seiner Eltern erinnert; ein Drogensüchtiger, der sich in jedem Moment seiner Existenz an den Grund für sein Abgleiten in die Abhängigkeit erinnert - wäre das nicht eine fürchterliche, eine kaum zu ertragende Gabe? Wie geht Atlan, der unsterbliche Arkonide, mit der Qual der absoluten Erinnerung um? Reichen die Verdrängungsmechanismen, die er von Zeit zu Zeit durch einen Erzählzwang unterbricht, um ihn nicht wahnsinnig werden zu lassen?
Aset-Radol hatte gemordet und morden lassen. Mit gnadenloser Konsequenz hatte er sich seinen Weg geebnet und war so an die fetten Futtertröge der Macht gelangt. Viele, wenn nicht gar die meisten Dinge, über die er entschieden hatte, würden von einem in Kategorien der Moral denkenden Wesen als äußerst verwerflich angesehen werden.
Das Vergessen war ein Sicherheitsnetz. Es befreite ihn von den Lasten, die er sich im Laufe seines langen Lebens auferlegt hatte. Es erlaubte ihm, weiterzumachen, vorwärtszublicken.
Aset-Radol seufzte.
Er selbst hatte die Erfindung der Memokriecher angeregt, das Volk der Aras hatte die notwendigen Grundlagenforschungen durchgeführt, die Unsterblichen die Umsetzung besorgt und in ihrem unnachahmlichen Hang zur Perfektion zum Abschluss gebracht. Ein ganzes Volk und dessen herausragendsten Vertreter standen ihm zur Verfügung, um all seine Wünsche in die Realität umzusetzen. Es mochte seine Zeit dauern, manchmal auch Hunderte von Jahren - doch er erhielt stets, was er begehrte.
Aset-Radol drehte sich beiseite. Die Reflektionen seiner Begegnung mit Synuit machten ihn unruhig. Alles kam nun zu seinem
vorherbestimmten Ende, unaufhörlich tickte die Uhr. Seine Planungen fanden zu einem Ergebnis, das er so sehr herbeigesehnt hatte -und dessen Inhalt ihm nun, so kurz vor dem Ziel, sinnentleert erschien.
Er stand auf und aß eine Kleinigkeit. Eine Suppe mit Meeresfrüchten, die aus einem Ozean des Unlichtplaneten stammten, aromatisiert mit terranischem Balsamikum und bluesschen Dungkräutern der transpirierenden Kreatur der Würzigkeit. Dann hörte er sich eine Aufzeichnung der sonotorischen Krönungskantate an und ließ begleitend das Holovid einander umtänzelnder und streichelnder Walharlekine aus den Untiefen des botawistischen Dampfozeans zuspielen. Die beiden so unterschiedlichen Aufführungen ergänzten sich in einer Perfektion, die ihn denken ließen, es spielte alles Leben dieses Universums zusammen, um ein Konzert der Sinne entstehen zu lassen.
Vielleicht war es so. Vielleicht war auch er ein Instrument weit höherer Mächte als der Kosmokraten. Vielleicht geschahen die Dinge so, weil andere bestimmten; und weil sie alle, unwillentlich und unwissentlich, an unsichtbaren Strippen hingen.
Ein erschreckender Gedanke. Möglicherweise war auch er der Erfüllungsgehilfe eines gewaltig großen Plans. So wie Synuit, und so wie die araischen Unsterblichen.
Abrupt unterbrach Aset-Radol die Aufzeichnungen. Ihm war kalt geworden. Es wurde Zeit, dass er sich einer ganz besonderen Herausforderung stellte; möglicherweise der letzten seines langen Lebens.
Synuit
Ein Alarm ertönte nahe seines rechten Ohrs, unhörbar für die anderen Aras, die sich soeben angeregt über ein nekrogenetisches Fachproblem unterhielten.
Synuit hörte sich die Nachricht an. Einmal. Zweimal. Ein drittes Mal. So lange, bis der Sinn der Information eingesickert war und er auch tatsächlich glaubte, was er hörte.
Er fühlte Wut hochsteigen, und mit seltsamer Plötzlichkeit kam gleich danach das Gefühl des Überfordertseins.
Er benötigte einen Halt. Da Aset-Radol nicht verfügbar war, musste er auf die Aras zurückgreifen, so schwer ihm das auch fiel.
»Wir haben ein Problem auf der MO«, sagte er leise.
Augenblicklich verstummten alle Unterhaltungen. Die Unsterblichen blickten ihn an. Verwundert, vielleicht auch verärgert über die Unterbrechnung.
»Was ist geschehen?«, fragte Stongill. Er warf sein Glas achtlos über die Schulter. Es wurde samt Inhalt zielgenau von einem Konverterstrahl der Stationspositronik erfasst und ausgelöscht.
»Unruhen im Schiff. Solche, die nicht auf ein paar übriggebliebene Flüchtlinge zu schieben sind, die den Transport hierher geschafft haben.«
»Ich verstehe nicht.« Seeste Hreich runzelte die Stirn. »Ich dachte, es wäre alles unter Kontrolle?«
»Ich hatte nach meinem Erwachen in der Schiffszentrale ein geringfügiges
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