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PR Kosmos-Chronik 02 - Alaska Saedelaere

PR Kosmos-Chronik 02 - Alaska Saedelaere

Titel: PR Kosmos-Chronik 02 - Alaska Saedelaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Gesicht entwickelte wieder dieses verhasste zuckende Eigenleben. Im ersten Reflex wollte Alaska die Finger ins Fleisch schlagen, dann warf er sich herum und stürmte in die angrenzende Hygienezelle.
    Suchend drehte er sich einmal um die eigene Achse. Ein matter Überzug auf den Wänden verhinderte jede Reflexion. Spiegel waren schon gar nicht vorhanden.
    »Was ist aus meinem Gesicht geworden, Mr. Deighton? Ich habe ein Recht darauf, es endlich zu sehen!«
    Er blieb allein mit sich und seinen Ängsten. Niemand antwortete. Zweifellos werteten nicht Menschen, sondern Positroniken die Aufzeichnungen aus.
    »Und wenn ich nicht mitspiele? Gelte ich dann noch als lukrativer Patient oder schon als renitent?« Er beugte sich über das Waschbecken und schöpfte mit beiden Händen. Mit einer schnellen Bewegung verteilte er das kalte Wasser im Gesicht. Im ersten Moment spürte er nicht einmal die Kälte, doch dann begannen die Nerven zu toben, als rebelliere ein Teil von ihm. Alaska schrie auf und verkrampfte die Hände über den Wangenknochen. Er registrierte kaum, dass er aus der Nasszelle taumelte und wimmernd aufs Bett sank. Er vergrub den Kopf im Kissen, aber nach wie vor umzuckten ihn orangerote Blitze wie eine Korona.
     
     
    Eine Stunde vor Mitternacht, Standardzeit. Seit deiner Ankunft auf Mimas liegt ein Wechselbad der Gefühle hinter dir, wie du es nie zuvor erlebt hast. Zeitweise hast du den Eindruck, verrückt zu werden — und nichts und niemand scheint den schleichenden Prozess aufhalten zu können. Dann fällst du von einer neuen Hoffnung in die nächste Niedergeschlagenheit und findest keinen Boden. Schuld daran ist das »Ding« in deinem Gesicht. Noch fehlt dir eine bessere Bezeichnung dafür — und die Ärzte schweigen sich aus. Heißt das, dass sie ebenfalls keine Ahnung haben oder dass sie die Wahrheit kennen und dich bewusst in Ungewissheit lassen?
    Dein Schreibstift fällt auf die Tischplatte, du knetest deine Finger. Im nächsten Moment lehnst du dich ruckartig zurück, und dein Blick frisst sich an der Folie und den wenigen in zittriger Schrift hingeschmierten Zeilen fest. 3. März 3428, steht da als Überschrift. Hattest du wirklich vor, ein Tagebuch zu schreiben? Für wen? Nur weil du die Folien und den Stift in der Schublade gefunden hast oder weil du dich fühlst, als müsstest du im nächsten Moment zerplatzen? Dein Herz hämmert bis zum Hals, und jeder Pulsschlag pochte, wie unter Überdruck durch die Adern.
    Immerhin verhält sich das »Ding« in deinem Gesicht so ruhig, als wäre nie etwas vorgefallen. Ist es überhaupt noch da, oder hat es sich, womöglich als Nebenwirkung der Untersuchungen, zurückgebildet?
    Zögernd beginnst du wieder zu schreiben.
    Ich musste immer schon kämpfen und sollte es längst gewohnt sein, dass das Leben nichts verschenkt. Da draußen wartet die Galaxis mit all ihrer Schönheit und Vielfalt — und ich stehe mir mit meinen Schuldgefühlen plötzlich selbst im Weg.
    Ich hasse mich.
    Nein: Ich hasse das »Ding« in meinem Gesicht.
    Du schürzt die Lippen, und die Bewegung fällt dir schwer, als gehorchten die Muskeln nicht mehr allein deinem Willen. Deine Haut spannt, zieht sich zusammen, dehnt sich aus, im Rhythmus des Pulsschlags.
    Wie kannst du etwas hassen, von dem du nicht einmal weißt, was es ist? Du glaubst, dein größtes Problem sei die Ungewissheit; aber vermutlich wärst du ruhiger, wenn du dich selbst sehen könntest. Warum zeigt man dir nicht endlich dein Spiegelbild? Aus Furcht, du könntest ebenfalls sterben oder den Verstand verlieren?
    Ein kurzes, hektisches Lachen quillt über deine Lippen. Saturn schimmert durch das Panoramafenster herein. Gewaltige Wolkenbänder und Sturmwirbel vermischen sich. Der Schatten eines der anderen Monde — der Größe nach Thetys oder Dione — wandert düster über die pastellfarbene Wolkenwüste.
    »Sie können mir nicht helfen«, murmelst du kurzatmig. Vergeblich versuchst du dich zu erinnern, was zwischen Bontong und Peruwall geschab. In einer eigentlich nicht messbaren Zeitspanne, die in Wahrheit vier Stunden gedauert hatte.
    Vier Stunden, in denen du ...
    Die Leere in deinem Schädel, so unheimlich und unerträglich sie ist, dehnt sich aus. Schwärze erfasst deine Wahrnehmung — aber irgendwo glimmt ein winziger, fahler Funke. Von einer unwiderstehlichen Kraft angezogen, glaubst du, darauf zuzustürzen.
    Zeitlos ...
    Von wohligen Empfindungen geborgen ...
    Auch wenn du's nicht in Worte zu fassen vermagst,

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