PR Kosmos-Chronik 02 - Alaska Saedelaere
und Berührung mehr als je zuvor. Zugleich warnte ihn eine innere Stimme. Selbst wenn Liv minutenlang übersehen konnte, was mit ihm geschehen war — die Realität würde danach umso schmerzhafter sein.
Ihre Schultern zuckten; es fiel ihr schwer, sich nicht umzudrehen. »Aus unserer geplanten Reise wird vermutlich nichts«, sagte sie.
»Sieht ganz so aus«, versetzte Saedelaere knapp.
»Wir holen alles nach.«
Ihr Haar floss kaskadenförmig über die Schultern, selbstleuchtende Farbfäden waren eingeflochten. Liv trug das eng anliegende rote Schuppenkleid, das ihre Figur ideal zur Geltung brachte.
»Du hast mit den Ärzten gesprochen?«, fragte Alaska, ohne eine Antwort zu erwarten. »Sie haben dir bestimmt erklärt, dass sie nicht weiterwissen.«
»Sie sagten mir, dass du dich allen Argumenten verschließt. Du bist im Begriff, dich selbst aufzugeben. — Also stimmt es«, fügte sie hinzu, als Alaska sich in der kurzen Pause, die sie einlegte, nicht äußerte.
»Ich werde Mimas verlassen.«
»Und dann?«
»Das weiß ich noch nicht.«
Die Frau schüttelte den Kopf. »So einfach ist das Leben nicht — vor allem wirst du nicht ewig vor dir selbst davonlaufen können. Was auch mit deinem Gesicht geschehen ist, Alaska, es macht mir nichts aus.«
»Vergiss es! Das glaubst du heute. Aber morgen ... ?«
»Du hattest stets ein Talent, Freunde vor den Kopf zu stoßen, nun übertreibst du dein Selbstmitleid.«
»Bist du nur nach Mimas gekommen, um mir das zu sagen?«
»Ich wollte dich sehen!«
»Aber ich will keine Liv Andaman auf der Liste der Verrückten und Toten, die ich zu verantworten habe.«
»Weißt du, dass ich es hasse, mit dir zu reden und dir gleichzeitig den Rücken zuzuwenden? — Mir wurde gesagt, dass du einen speziellen Deflektor trägst. Ich will dich jetzt sehen, Alaska — jetzt, nicht irgendwann.«
Auf dem Absatz fuhr die Frau herum. Saedelaere sah ihre Augen sich weiten, aber auch sofort wieder enger werden. Dieses kurze Aufblitzen mochte Livs Anspannung entsprungen sein, eine andere Regung zeigte sie nicht. »War das so schlimm für dich?«, fragte sie herausfordernd. »Du solltest endlich aufhören, alle Menschen zuerst als deine Gegner anzusehen.«
Liv ließ sich auf das Sofa sinken. Beide Arme auf die Lehne gelegt, schaute sie Alaska auffordernd entgegen und spitzte die Lippen. Hinter ihrer Stirn arbeitete es. Sie versuchte, seine Veränderung zu ignorieren, schaffte es aber nicht. Ihre Sorge war deutlich. »Ein wenig anders hatte ich mir unser Wiedersehen schon vorgestellt«, sagte sie.
»Tut mir Leid, falls ich dich enttäusche.«
»Halb so schlimm. — Jetzt könnte ich allerdings einen Drink vertragen. Gib mir einen Vurguzz, der brennt den schalen Geschmack weg.«
Alaska ging zur Bar und schenkte zwei Gläser voll. Liv taxierte ihn unablässig; ein Mann, dessen Leib an den Schultern aufhörte, war mehr als gewöhnungsbedürftig. Zweifellos versuchte Liv nachzuvollziehen, was er empfand, aber sie konnte es nicht ermessen. Er taumelte in einer Achterbahnfahrt zwischen naiver Ungläubigkeit und panischem Entsetzen.
Wie war das wirklich, wenn sich das Leben von einer Sekunde zur anderen derart grundlegend veränderte?
Das Alleinsein machte ihm wenig aus, daran war er seit früher Kindheit gewöhnt. Viel schlimmer war die Ungewissheit. Er glaubte nicht an Heilungsaussichten.
Den Zwang, zum wiederholten Mal in sein Gesicht zu fassen, unterdrückte Alaska, indem er ruckartig nach beiden Gläsern griff.
Viel zu oft hatte er seit der Ankunft auf Mimas die Ränder der Veränderung abgetastet. Das anfangs befürchtete Weiterwuchern der Anomalie hatte sich nicht bewahrheitet, zumindest davon blieb er verschont. Trotzdem glaubte er nicht daran, dass sich »nur« die DNA seiner Zellen verändert hatte. Was da in seinem Gesicht zuckte und hin und wieder erschreckend glühte, war alles andere als sein eigenes Fleisch.
Er musste sich erinnern! Erst dann würde er wirklich erkennen, welche Bedrohung er mit sich herumschleppte.
Der Transmitter in der Handelsstation von Bontong, das in grünen Schlieren die Sendebereitschaft anzeigende Entstofflichungsfeld ...
»Pass auf, Alaska, du verschüttest den Vurguzz!«
Klebrig feucht rann es über seine Finger, als Livs Ausruf ihn aufschreckte. Beinahe hätte er vergessen, wo er sich befand.
Ein einziger Schritt ...
Stille. Zeitlos.
Irgendwann der Schmerz, ein Aufprall ... Woher kamen das grelle rote Licht und die eigenartigen
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