Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR Lemuria 01 - Die Sternenarche

PR Lemuria 01 - Die Sternenarche

Titel: PR Lemuria 01 - Die Sternenarche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
Vom Netzwerk:
eine Sisyphos-Arbeit, die oft liegen blieb, auf Assistenten oder Syntrons abgeschoben wurde, aber doch die Grundlage der Geschichtswissenschaft bildete.
    An Bord hatte Solina die Muße, ihr nachzugehen. Über der Platte ihres Schreibtisches schwebte eine Batterie von Holos. In der Mitte war das Originaldokument abgebildet, mit dem sich Solina seit mittlerweile drei geschlagenen Tagen herumquälte, mutmaßlich ein privater, auf einem papierähnlichen Material geschriebener Brief. Sie hatte das Original niemals in den Händen gehalten. Es befand sich in einem terranischen Archiv, zu dem die akonische Historikerin eigentlich keinen Zugang hatte. Um ihn zu erlangen, hätten ihre Vorgesetzten einen offiziellen Antrag bei der zuständigen terranischen Behörde stellen müssen. Solina Tormas kannte ihre Vorgesetzten. Eher hätten die Vaktson sich mit Pinzetten die manikürten Nägel ausgerissen, als die schmutzigen Terraner um etwas zu bitten.
    Solina hatte auf den Antrag verzichtet und kurzerhand direkten Kontakt zu ihrem terranischen Kollegen aufgenommen. Zehn Minuten später hatte sie den Scan auf ihrem Syntron gehabt und einen neuen Freund in der galaxisweiten Gemeinde der Historiker gefunden.
    Dankenswerterweise hatte ihr Kollege bereits die Vorarbeiten unternommen. Er hatte das Dokument datiert. Es stammte aus der Zeit zwischen den Jahren 51.389 und 51.378 vor Beginn der alten terranischen Zeitrechnung, die unter Lemurerforschern benutzt wurde. Solinas Vorgesetzte hätten sich die Haare gerauft, hätten sie davon erfahren, dass die Historikerin mit der Zeitrechnung der Terraner arbeitete. Aber Solina war das gleich. Man brauchte ein verbindliches Datierungssystem, und eins war so gut wie das andere. Wieso sollte sie das bestehende ignorieren, nur weil die Terraner die Lemurerforschung begründet hatten?
    Solinas terranischer Kollege hatte auch schon den Syntron seines Instituts auf das Dokument angesetzt. Der Rechner hatte es restauriert, die Handschrift erfasst und in lemurische Standardschrift umgesetzt und mehrere Übersetzungen angefertigt, denn obwohl das
    Akonische sich aus dem Lemurischen entwickelt hatte, existierten nach Jahrzehntausenden der Weiterentwicklung lediglich rudimentäre Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen. Die Ergebnisse der Arbeit des Syntrons umrahmten in einer Hand voll Holos das Originaldokument.
    Sie hätte sich keine bessere Übersicht wünschen können - und dennoch verstand sie fast nichts. Das Problem begann bereits bei der Erkennung der Handschrift. Mehrere Worte blieben unklar. Begann der zweite Satz des Briefs mit »vecktran« oder »vecktron«? Der Unterschied in der Aussprache und in der Schreibweise der beiden Buchstaben war minimal, der Bedeutungsunterschied dagegen riesig. Der Satz konnte »Mit schweren Herzen schreibe ich dir diese Worte« oder »Die Worte, die ich schreibe, sollen dein Herz nicht schwer machen« bedeuten. Und dabei hatte Solina noch Glück, dass der Verfasser oder die Verfasserin - auch das war unklar - überhaupt die Vokale der Sätze niedergeschrieben hatte. Allzu oft hatten die Lemurer sie einfach weggelassen und sich darauf verlassen, dass ihr Gegenüber sie beim Lesen in Gedanken ergänzte.
    In Momenten wie diesen wünschte sie sich, die Menschen wären nicht so gedankenlos und würden mehr Rücksicht auf die armen Historiker nehmen, die Jahrtausende später versuchten, sich den Sinn von Quellen zu erschließen. Täten sie das, würden sie nie wieder ihre Briefe achtlos hinkritzeln. Oder sie gleich tippen und auf einem zukunftssicheren Medium abspeichern, wie es sich gehörte.
    Doch selbst, wenn das geschehen wäre. allein die Bedeutungsunterschiede! Fast jedes Wort jeder Sprache hatte je nach Kontext verschiedene Bedeutungen. Schlimm genug für Historiker, aber nur der Anfang, denn Wörter veränderten im Lauf der Zeit ihre Bedeutung. »Bailff« stand beispielsweise in den ältesten erhaltenen Texten für »Fischjäger«, später verstand man darunter einen Kleinkriminellen und wiederum später, kurz vor dem Ansturm der Bestien, bezeichnete der Begriff eine Modeströmung unter Jugendlichen, Street-Style-Klamotten mit Fischgrätenmustern. Soweit der Wissensstand. »Bailiff« konnte noch ein Dutzend andere Dinge bedeuten, je nach Kontext.
    Solinas terranischer Kollege war so freundlich gewesen, ihr seine selbst erarbeitete Datenbank lemurischer Begriffe zu überlassen -eine Geste, die sie selbstverständlich erwidert hatte -, doch es half nichts: Sie

Weitere Kostenlose Bücher