Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR NEO 0035 – Geister des Krieges

PR NEO 0035 – Geister des Krieges

Titel: PR NEO 0035 – Geister des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Humberg
Vom Netzwerk:
verloren. Die Wendungen, die sein Leben in den vergangenen Wochen und Monaten genommen hatte – und die meisten waren gute, faszinierende Wendungen –, wären mit Angst unmöglich gewesen. Und ohnehin: Der Teufel war nie so furchterregend, wie man ihn malte. So sagte es ein russisches Sprichwort, und so war es tatsächlich.
    »Geh ein paar Schritte mit mir, Rinat«, sagte Toreead, und es klang fast wie eine Bitte. »Geh mit mir und lass uns reden!« Er hob einen seiner langen Arme und deutete auf die im Schatten liegende Tür, die vom Hangar hinaus auf den Schiffskorridor führte.
    Rhino, dem ohnehin keine Wahl blieb, folgte dieser Aufforderung. Den schroffen Tonfall nahm er allerdings mit. »Reden? Über was denn?«
    Der Gang jenseits der Schwelle war kerzengerade und gut zwei Meter breit. Sanftes Licht fiel aus den in die Decke eingelassenen Leuchtkörpern, spiegelte sich auf den metallisch anmutenden Wänden und dem Fußboden. Der gesamte Anblick hatte etwas Klinisches. Hier und da sah Rhino schwarze Interfaces und verschlossene Türen. An keiner von ihnen machte Toreead halt.
    »Über euch«, antwortete der Naat leise. Er schlenderte so selbstverständlich neben Rhino her, als wären sie zwei Freunde auf einem Sonntagsspaziergang am Ufer der Moskwa. »Ich ... brauche ein paar Auskünfte, und ich hoffe, du wirst sie mir geben.«
    Rhino hob die Brauen. »Du – von mir? Wenn überhaupt, Toreead, seid ihr uns einige Erklärungen schuldig! Ihr könntet zum Beispiel damit anfangen, was ihr überhaupt von uns wollt. Wie lange sollen wir tatenlos in diesem Hangar ausharren, ohne unser eigenes Schicksal zu kennen? Was habt ihr Kahlköpfe vor, und was bedeuten diese ständigen Beben, die das Schiff packen? Werden wir etwa angegriffen?«
    Rhino war mit jedem Wort lauter geworden, hatte sich in die Tirade aus anklagend vorgebrachten Fragen hineingesteigert. Nun, da er einem Naat gegenüberstand, schien ihm die Zeit der Zurückhaltung zu Ende zu sein.
    Toreeads schwarzes, nasenloses Antlitz wies keinerlei Anzeichen von Zorn oder verletzter Eitelkeit auf. »Ich verstehe deine Frustration, Rinat. Neigt ihr Menschen generell zu dieser Eigenschaft, oder erwächst sie euch eher aus Situationen wie dieser?«
    Oha, ein Themenwechsel!
    Ein weiteres Beben. Für jemanden wie Rhino, der bereits auf einem russischen Atom-U-Boot Dienst getan hatte, war es nicht schwer, hinter den Erschütterungen und dem Donnerhall ein Gefecht zu vermuten. Er brauchte kein Radar und keine Sensoren, um die Zeichen zu erkennen. Bislang hatte er seinen Verdacht gegenüber den anderen aber nicht thematisiert – teils, um die übrigen Gefangenen nicht zu verunsichern, die es vermutlich längst selbst ahnten, und teils, weil Wahrheiten reine Annahmen blieben, solange man sie verschwieg.
    Unwissenheit war Stärke – hieß es nicht so bei George Orwell?
    Die Sirenen verstummten. Rhino atmete tief durch, fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel und schickte ein mentales Dankesgebet an den Gott der Schutzschirme, den der Trägheitsdämpfer und an alle, die sonst noch dafür verantwortlich, aber beleidigt sein mochten, wenn er sie überging.
    »Genau das meine ich«, sagte er, den Blick wieder auf den Naat gerichtet. »Erwartest du wirklich, ich plaudere mit dir über Belanglosigkeiten, während wir uns inmitten eines Chaos befinden, dessen Ausmaß ich mir nicht einmal vorstellen kann? Vergiss es, Naat! Das hier läuft quid pro quo oder gar nicht, kapiert?«
    »Was möchtest du denn wissen, Rinat?«
    Das nächste mentale Gebet galt dem Gott der Selbstbeherrschung und war ein flehendes. »Was hier vor sich geht, verdammt! Da draußen. Und in eurer Zentrale. Was habt ihr Naats mit uns vor, und wer schwebt da im All und hindert euch mit Waffengewalt?«
    Toreeads drei Augen sahen ihn prüfend an. »Wir ... Ich will verstehen«, antwortete er dann. Rhino spürte, dass er eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen. »Ich will lernen. Von dir.«
    Rhino rollte mit den Augen. »Lernen. Na klar. Krisengebiete sind ja per se der bestmögliche Ort für kulturellen Austausch.« Hatte er wirklich mal geglaubt, Restaurantkritiker seien Sturköpfe? Nun, da er die Naats kannte, war ihm, als schulde er allen selbst ernannten Gastro-Experten der guten alten Erde eine Entschuldigung.
    Und er ahnte, dass Toreead ihm seine Auskünfte nicht geben würde – egal wie oft er fragte. »Schieß los!«, brummte er, und es klang wie eine Kapitulation.
    »Eure Welt, die Erde«,

Weitere Kostenlose Bücher