PR NEO 0038 – Der Celista
Sprung? Die meisten Kommandanten legen es vor die erste Transition.«
»Eine alte Familientradition«, sagte Talamon.
Mehrere Plätze im Restaurant waren verwaist geblieben. Nach einer Transition über die hohe Sprungdistanz brauchten viele Passagiere Ruhe. Der heftige Transitionsschock hielt sie in ihren Kabinen. Manche optierten sogar nachträglich für eine Tiefschlafpassage. Natürlich gegen einen Aufpreis. Das hatte gleich drei Vorteile: mehr Profit und mehr Ruhe, denn schlafende Passagiere waren friedliche Passagiere. Außerdem blieb die offizielle Begrüßung übersichtlicher. Aber das würde Talamon einem Gast gegenüber nie eingestehen.
Nach einigen ausgetauschten Nettigkeiten ging Talamon weiter. Er blieb länger als beabsichtigt bei einem gut situierten Paar, das schon zum fünften Mal mit seinem Schiff flog. Die beiden besaßen ein Handelszentrum für Kopfbedeckungen im Garten des Nham. Das Wiedersehen wärmte sein Herz. Sind die beiden nicht prächtig?, fragte er Elnatiner.
»In welcher Beziehung?«, kam die verständnislose Antwort. »Ihre Kleidung würde ich eher als schlicht bezeichnen, aber du weißt ja, dass mich das Thema an sich in Verwirrung stürzt. Ist der Stoff, aus dem ihre Anzüge gewebt sind, besonders wertvoll? Vielleicht von irgendeiner inzwischen ausgestorbenen Spinnenart Gedt-Kemars oder aus den Kokons seltener Vielfüßler?«
Ach, schon gut. Elnatiner würde nie verstehen, dass Talamon seinen Beruf in allen Facetten liebte, auch wenn er gern abfällige Kommentare über die Passagiere zum Besten gab. Es machte Talamon Freude, sich mit Wildfremden auszutauschen und zu einer winzigen Benjam-Kugel im Mosaik ihres Lebens zu werden. Wie viele Mehandor, Arkoniden und Andersartige hatte er auf seinen Reisen bereits getroffen? Er kannte die genaue Zahl nicht, doch er wusste, dass es Tausende waren. Jede dieser Begegnungen bot ihm ein Fenster, das Einblick in eine andere Existenz gewährte. Trotzdem wollte sich die große Freude, die Talamon sonst beim Empfang überkam, auf dieser Reise nicht einstellen.
Das Ganze wäre noch schöner, wenn nicht einer von ihnen ein Celista sein könnte. Talamon hatte viel über die Celistas gehört und fragte sich, was an den Gerüchten der Wahrheit entsprach.
Einige behaupteten, ein Celista könne in die Rolle von jedem schlüpfen, ganz gleich ob Mann oder Frau. Er würde keine Skrupel kennen und immer einen Weg finden, an Bord eines Schiffes zu gehen, auch in letzter Minute. Wenn er einmal eine Person verdächtige, sei er wie ein Bleichsauger, der erst Ruhe gab, wenn sein Gift im Blutkreislauf seines Opfers zirkulierte. Andere meinten, ein Celista sei nie allein. Es seien immer zwei oder drei von ihnen an Bord, nachdem sie ein Raumschiff als verdächtig eingestuft hatten. Zusammen würden sie einem Rudel gleich ihre Beute zur Strecke bringen. Alle bezeichneten sie als die tausend Augen und Ohren des Imperiums.
»Ein Mal hast auch du schon einen Celista geflogen«, sagte ein Sprichwort unter den Kommandanten der Passagierschiffe.
Der Gedanke an einen Geheimagenten in seinem Restaurant war wie Säure in dieser von Talamon geliebten Zeremonie. Er zwang sich, ihn zu verdrängen und weiterzumachen. Später würde genug Zeit sein, sich gemeinsam mit Elnatiner den Kopf darüber zu zerbrechen, welche der Personen am verdächtigsten erschienen. Er hatte dem Personal angewiesen, jegliche Auffälligkeit zu melden, sowohl auf Personen als auch auf die Bordabläufe bezogen. Ganz gleich, wie unwichtig das Beobachtete sein mochte.
Und wenn ich tatsächlich einen Celista entdecke? Was dann? Soll ich ihn umbringen?
Die Musik änderte sich. Eines von Talamons Lieblingsstücken begann. Ein Lied über verflossene Liebe und Tod. Passend, dachte Talamon. Er unterdrückte den Wunsch, die zwei Tische, die noch zwischen ihm und Belinkhar lagen, zu überspringen. Am ersten saß eine arkonidische Mutter mit ihrem jugendlichen Sohn.
»Denistra und Karhun da Imtir«, informierte Elnatiner. »Sie ist nicht die Würgwohltat, sondern die Fressmeisterin des Jungen.«
Gouvernante oder Erzieherin, verbesserte Talamon. Der Gedanke, eine Mutter könne ihr Kind mit Erbrochenem füttern, ekelte ihn. Für den Volater stellte das Normalität dar.
Der Junge sah verdrießlich zu ihm auf. »Gibt es auch gute Musik? Ich mag Handira da Tristir hören. Die neueren Werke, in denen er den Regenten ehrt.«
»Da lässt sich bestimmt etwas machen, Sonnenschein«, sagte Talamon mit einem Grinsen,
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