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PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

Titel: PR NEO 0039 – Der König von Chittagong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Angst?
    »Bleib dicht bei mir. Für den Fall der Fälle«, regte Kakuta an. Er suchte nach Fluchtpunkten und verinnerlichte sie. Sollte es gefährlich werden, würde er sich an sie erinnern und einen von ihnen anvisieren. Um zu springen. Um etwas zu tun, was nur wenige ausgesuchte Menschen schafften. Um kraft seines Geistes einen Ortswechsel zu vollziehen.
    »Gehen wir's an«, sagte er. Sie setzten sich in Bewegung, und Kakuta meinte zu wissen, dass Sengu ebenso viel Respekt vor dem Jungen hatte wie er.
     
    Sandhya nutzte eine der Innenkabinen. Auf der angemoderten Matratze lag ein Straßenhund, der sie aufmerksam betrachtete und dann die Schnauze wieder auf die Vorderpfoten legte, als gingen ihn die beiden Besucher nichts an. Es roch säuerlich. Nach irgendetwas, das Kakuta nicht zu identifizieren vermochte.
    Sandhya thronte auf einigen Polstern, die er ähnlich einer Pyramide angehäuft hatte. In seinen Händen hielt er ein Spielzeug; ein Yasemine, das vor einigen Jahren in westlichen Ländern für Furore gesorgt hatte. Es reagierte auf Handdruck und verformte sich je nach Stimmung des Besitzers. Den Gestaltungsmöglichkeiten waren keine Grenzen gesetzt. Geschickte Spieler schafften es, binnen weniger Sekunden einen Paradiesvogel, ein schwarzes Schaf und anschließend ein blutrotes menschliches Herz zu formen.
    Kakuta hatte ein Yasemine besessen. Er hatte es gestohlen, und ihm war es wiederum von einem seiner Freunde weggenommen worden. Das Spielzeug hatte ihm viel bedeutet; aber was war es für Sandhya?
    »Kannst du den Storch formen?«, fragte er den Knaben nach einer der leichtesten Figuren. Dank des injizierten Translators sprach er in akzentfreiem Bengali.
    Der Storch: Er war vom Spielehersteller der intelligenten Knetmasse vorgegeben worden. Die Form erforderte lediglich wenige Griffe und eine ruhige Hand.
    Sandhya antwortete nicht sofort. Er starrte sie an mit seinen wässrigen blauen Augen, als wären sie von minderer Bedeutung für ihn. Kakuta zog instinktiv die Schultern ein. Dieses Kind erheischte Respekt. Er tat sich schwer, nicht die Beherrschung zu verlieren und wegzuspringen, hin zu einem seiner Fluchtpunkte.
    »Der Storch ist langweilig«, sagte der Junge. »Er ist etwas für Kinder.«
    Er bewegte seine Finger, blitzschnell und geübt. Das Yasemine erhielt die Form eines undefinierbaren Klumpens, dann die einer Raubkatze, eines Igels, eines Walfischs – und nur wenige Sekunden später hielt er eine Segeljacht in der Hand, deren Segel flatterten, als er sachte darauf blies.
    »Unmöglich!«, rief Sengu überrascht. »Dafür ist das Yasemine nicht geschaffen!«
    Kakuta durfte sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. »Du bist ein Kind, Sandhya. Oder hast du das schon vergessen?«
    »Ich vergesse nichts, und ich weiß, was ich bin. Aber was seid ihr? Was wollt ihr von mir?«
    Das waren keinesfalls die Worte eines Zehnjährigen. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. »Wir sind von weit hergekommen ...«
    »Aus Terrania, nicht wahr?« Sandhya stellte wieder die Grundform des Yasemines her. »Du brauchst nicht so zu tun, als wäre ich dumm.«
    »Also schön.« Nichts anmerken lassen, nicht irritieren lassen! So schlau der Kleine auch sein mag – letztlich ist er doch nur ein Kind. »Ja, es stimmt. Wir kommen aus Terrania. Wir wurden beauftragt, nach ungewöhnlichen Menschen Ausschau zu halten. Um ihnen zu helfen und ihnen Unterschlupf in unserer Heimatstadt zu gewähren. Du würdest dort die beste Ausbildung erhalten, die du dir vorstellen kannst ...«
    »Interessiert mich nicht«, unterbrach ihn Sandhya. »Was dieser Perry Rhodan macht, ist doch bloß Unfug. Und wie kommt ihr auf die Idee, dass ich von hier weg möchte?«
    »Jeder, den wir nach dir befragt haben, sagte uns, dass du große Kräfte besäßest. Solche, die du nicht immer unter Kontrolle hättest und die dich selbst ängstigen würden.«
    »Die Leute reden viel. Viel zu viel!« Sandhya stand auf, ging zu seinem Hund und streichelte ihn. »Ich brauche niemanden, der mir sagt, was ich tun und lassen soll. Mir geht es gut hier. Wenn ich etwas brauche, nehme ich es mir. Oder aber ich bringe die Menschen dazu, es mir zu geben.«
    »Wie machst du das?« Du musst ihn reizen, Tako. Bring ihn dazu, seine Begabung zu demonstrieren. Damit du einen Beweis hast, dass Sandhya ist, was er zu sein vorgibt.
    »Ich zeige ihnen, was ich kann. Und wenn sie nicht machen, was sie wollen, tue ich ihnen weh.«
    Das hörte sich schon eher nach einem Kind an.

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