PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise
rauschten nach unten. »Doktor Haggard hat einen Brief erhalten. Von sich selbst.«
»Von sich selbst?«, fragte der Administrator. Ein wenig klang sein Tonfall, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen, das sich einen Streich erlaubte.
»Von sich selbst«, wiederholte Mercant, und es hörte sich noch genauso verrückt und genauso überzeugend an wie während des Telefonats mit Haggard. »Unser Freund vertraut dem Inhalt, und ich vertraue ihm.«
»Wieso? Was steht in diesem Brief?«
»Eine Warnung. Eine detaillierte Warnung, die Frank für glaubwürdig hält. Und ich auch. Weil ich schon immer wusste, dass die Mutanten eine große Macht darstellen. Und große Macht ist ... gefährlich.«
»Sie bringt große Verantwortung. Sie haben recht, Allan. Man muss die Mächtigen kontrollieren.«
»Ich mag die Mutanten«, sagte Mercant, und das war nicht gelogen. »Ich vertraue ihnen. Sie und ich, Homer, wir haben uns lange mit dem Thema der Mutanten beschäftigt, haben diese Menschen schon gesammelt und auf sie gebaut, als die Welt noch nicht von ihnen gesprochen hat. Als wir noch selbst glaubten, eine leichte Mutantengabe zu besitzen.« Was sich als Irrtum herausgestellt hatte, falls sie all den quälenden Stunden im Lakeside-Institut glauben wollten. All den Versuchsanordnungen. Den endlosen Testreihen und Wahrscheinlichkeitsberechnungen der Wissenschaftler. Den Bluttests und Enzymuntersuchungen. »Wenn es jemanden gibt, dem die Mutanten wichtig sind, dann uns beiden. Und gerade deshalb liegt es in unserer Verantwortung, nun zu handeln. Wir müssen ihnen helfen und sie vor sich selbst beschützen. Haggards düstere Prognosen gehen davon aus, dass sie jederzeit austicken können. Amok laufen. Ihre Gaben unkontrolliert ausbrechen lassen. Keiner weiß, was dann geschieht.«
»Hören Sie sich da eigentlich selbst reden, Allan? Glauben Sie, über fünfzig Mutanten im Institut lassen das mit sich machen? Sich einsperren?«
»Wir werden sie nicht fragen«, unterbrach Mercant hart. »Denn Sie haben recht, Homer. Das würden die Mutanten garantiert nicht akzeptieren. Zuerst die Quarantänemaßnahmen mithilfe eines Energieschirms um das gesamte Institutsgelände – danach die Erklärungen.«
»Nein«, sagte der Administrator. »Das ist inakzeptabel.«
»Sir«, wechselte Mercant in einen distanzierteren, rein dienstlichen Umgangston. »Ich spreche nicht als Freund zu Ihnen, wenn ich Sie so nennen darf, sondern als Sicherheitsbeauftragter der Terranischen Union. Ich empfehle dringend, sofort einen hochenergetischen Sicherheitsschirm über Lakeside zu legen, um eine Katastrophe zu verhindern. Zwischen dem Institut und Terrania liegt nur der Goshun-See. Eine viel zu geringe Distanz. Die ganze Stadt ist in tödlicher Gefahr.«
»Ein Schirm? Und woher ...«
»Ich habe alles längst vorbereitet, Sir.«
»Wann? Der Anruf von Haggard kam doch, wenn ich Sie richtig verstand, gerade erst, und Sie ...« Adams stockte. »Natürlich. Sie haben es schon seit Tagen vorbereitet. Weil Sie ein misstrauischer Hund sind. Für den Fall der Fälle.«
»Seit Wochen«, korrigierte Allan D. Mercant, und der Aufzug erreichte das Erdgeschoss. »Und das Misstrauen sehe ich als eine positive Grundeigenschaft für jemanden in meiner Position an. Es gibt Notfallpläne für alle denkbaren Entwicklungen. Nur so wird sich Terrania dauerhaft behaupten können. Hätte ich das nicht getan, wäre ich nicht der Richtige auf meinem Platz als Koordinator für Sicherheit der Terranischen Union. Das sehen Sie sicher genauso, Administrator.«
»Wir treffen uns«, sagte Adams. »Bis dahin überlasse ich die weiteren Vorbereitungen Ihnen. Und, Allan?«
»Ja?«
»Ich danke Ihnen.«
»Informieren Sie Bai Jun, Homer«, bat Mercant. »Er muss es ebenfalls wissen. Es betrifft mittelbar auch Terrania.« Er sah den Bürgermeister der neuen Hauptstadt der Erde als loyalen Freund an, dessen Rat er zu schätzen wusste.
Sie unterbrachen die Pod-Verbindung.
Iga Tulodzieky und Allan D. Mercant durchquerten die Empfangshalle im Erdgeschoss. Die Sicherheitsleute vor dem Aufzug ließen die beiden ungefragt passieren. Auf den Wegen zum Restaurant und den sonstigen öffentlichen Bereichen hielt sich um diese Uhrzeit keiner mehr auf.
»Dir stellt niemand Fragen, nicht wahr?«, fragte Iga.
»Du meinst, außer dir?«
»Ich ...«
»Schon klar. Das Sicherheitspersonal wird mich nicht ansprechen oder sonst wie reagieren, außer ich gebe ihnen das Zeichen dafür, dass du mich
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