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PR Posbi-Krieg 01 - Das gestrandete Imperium

PR Posbi-Krieg 01 - Das gestrandete Imperium

Titel: PR Posbi-Krieg 01 - Das gestrandete Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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meine Eltern einen Unterschied! Noch Jahrzehnte nach dem Absturz schätzten sie Distanzen falsch ein oder wandten zu viel Kraft auf, um eine bestimmte Tätigkeit auszuüben. Jahrmillionenalte Bewegungsabläufe, die genetisch im Menschen verankert sind, lassen sich nicht so einfach ändern.
    Zudem drohten alle mühselig aufgebauten Strukturen zusammenzubrechen. Felder wurden nicht mehr bestellt, die bescheidene Krankenversorgung kollabierte, die Aufräumarbeiten und der notwendige Ausbau des Stadtgebietes lagen brach.
    Also endeten die Kämpfe. Einfach so.
    Es gab keine Friedenserklärungen, keine gemeinsame Aufarbeitung, keine Verbesserung der Situation. Ein unausgesprochener Waffenstillstand war dies. Der Hass und die Erinnerung an all die Brutalitäten der Auseinandersetzungen glühten im Verborgenen. Nichts wurde vergessen. Mir kam es damals so vor, als schöben die Erwachsenen den Entscheidungskampf nur so lange vor sich her, bis sie die Kraft für eine weitere Auseinandersetzung getankt hatten. Und so lebten die drei Gruppen nebeneinander, nicht miteinander.
    Mein persönliches Schicksal sah während dieser Zeit trist aus. Ich hatte im Alter von zehn Jahren einen Menschen getötet, Mann!
    Der offizielle Prozess? Der war ein Hohn. Die Gerichtsbarkeit wurde zur Gänze durch die Han repräsentiert, vom Schreiber über den Ankläger bis zum Richter. Niemand wollte mich für eine Tat verurteilen, die jeder Han stillschweigend guthieß. Man verhängte also eine geringfügige Ordnungsstrafe über meine Mutter wegen Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht und ließ, uns sonst in Ruhe. Auch die anderen zeigten kein Interesse an mir. Steph Grant war überall unbeliebt gewesen und hatte keinerlei Familienanschluss. Mir schien fast, als wären alle Parteien froh darüber gewesen, dass ich den offenen Ausbruch der Revolte heraufbeschworen hatte.
    Während dieser Tage war alles durcheinander, alles so verwirrend für mich. Ich kümmerte mich nur wenig um meine Umwelt. Denn jede Nacht träumte ich davon, wie ich den verkohlten Holzstiel in meiner Hand in Steph Grants Leib rammte und das Leben sprichwörtlich aus ihm lief.
    Die Albträume wollten nicht nachlassen. Ich fieberte, ich jammerte und ich weinte mich Tag für Tag in den Schlaf. Mutter blieb stets an meiner Seite, pflegte und umsorgte mich, unterrichtete mich während ihrer spärlichen Freistunden zu Hause, spendete mir Trost. Ich verließ den Wohnkubus kaum mehr, vergrub mich in meinem Schmerz.
    Weitere Falten gruben sich unterdessen in Moms so hübsches Gesicht. Ihr Rücken wurde krumm. Sie richtete sich für mich zugrunde. Ein Zehnjähriger sieht das alles nicht. Er kennt keine Rücksicht. Er hat nur Augen für seine eigenen Probleme.
    Aber ein anderer Mensch bemerkte die Schmerzen, unter denen meine Mutter litt.
    Zehn Tage vor meinem elften Geburtstag klopfte es an unsere Tür. Hohl und blechern klang es. Ich spürte Angst. Gäste waren in diesen Tagen selten geworden, und meist waren sie die Überbringer schlechter Nachrichten.
    Mutter öffnete zögernd, lugte durch den Spalt. Dann tat sie einen Schritt zurück; vielmehr einen Sprung.
    Vater war gekommen. Das erste Mal seit fast einem Jahr. Er hielt grässlich stinkende Blumen in Händen, murmelte irgendetwas und drückte ihr die traurigen Gewächse schließlich unbeholfen an die Brust.
    Ich schrie auf, ignorierte das Pochen des Fiebers in mir, sprang auf die Eltern zu, umarmte sie beide, weinte hemmungslos.
    Ich kann heute nicht sagen, ob Vater denn überhaupt gekommen war, um sich zu versöhnen. Es war mir einerlei. Ich drückte und schubste die beiden wichtigsten Personen in meinem Universum aneinander, bis sie sich umarmt hielten, bis sie zu reden begannen.
    Dann zog ich mich wieder in mein Bett zurück. Das Fieber fiel, und die Albträume waren von einem Tag zum anderen Vergangenheit. Ich hatte wieder eine Familie.
    Ich erneuerte meine Freundschaften mit den Kindern der Han, stets ermutigt von meinen Eltern, die beide endlich eine gemeinsame Sprache gefunden hatten. Sie verhielten sich schlauer als die meisten anderen ihrer Generation. Sie erkannten, dass die Brücken, die innerhalb ihrer Altersgruppe abgerissen worden waren, nie wieder aufgerichtet werden konnten. Also setzten sie darauf, dass die kommende Generation es besser machte.
    In Zho Mayang fand ich einen guten Freund, mit dem mich nicht nur die gemeinsame Leidensgeschichte um Deng Qiang verband. Wir verstanden uns ausgezeichnet. Zhos Eltern

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