PR TB 014 Die Nacht Des Violetten Mondes
berühmt werden - ich und du. Viel
Metall, viel schimmerndes Harz und viele Frauen... in drei Tagen!“
„Ich habe verstanden, Häuptling. Nimm auch den
Schamanen mit; sein Zauber wird an dieser Stelle sterben, und ich
werde den Tempel öffnen.“
„So soll es geschehen“, sagte der Häuptling und
ging.
Neben und vor ihm gingen die Krieger, und die beiden
Fächerträgerinnen bewegten die Wedel. Die Platinarmbänder
der Arme klingelten bei jedem Schritt, und der Zug war noch lange zu
hören, als er zwischen den Zweigen längst schon
verschwunden war. Die Krieger schwätzten miteinander, und der
Häuptling war ganz von seinen Gedanken an Macht und Größe
erfüllt.
*
Der lange Zug bewegte sich wie eine Kette brauner Ameisen durch
die Landschaft. Die Spitze machten drei erfahrene Fährtensucher,
dann kamen Krieger und Trägerinnen, dann endlich der Häuptling
und Anahay. Drei Tage lang bewegten sich die einhundertdreiundzwanzig
Menschen langsam und stetig entlang der vielen kleinen Wasserläufe,
überquerten große Sandinseln und schlichen auf gekrümmten
Pfaden durch die Wälder.
Endlich brach die siebente Nacht an.
Sie waren angelangt.
Die Tempelstadt.
Sie war nichts anderes als ein unglaublich zerfallenes
Raumhafengelände. Hier hatte die terranische Kultur Fuß
fassen können und hatte Betonbauten errichtet, die von dem
schleichenden Urwald längst überwuchert waren. Mit einiger
Phantasie konnte sich Anahay vorstellen, daß die verwitterten
Güterschuppen, das zusammengebrochene Verwaltungshaus und die
verrosteten und umwucherten Maschinenanlagen, Sendemasten und
Transformatorenzäune Tempel waren - von Gottheit und Dienern
verlassene Tempel. Den Mittelpunkt bildete ein Raumschiff.
Das Schiff, ein Kugelraumer der Großhandelsklasse, war bis
zur Hälfte schräg eingesunken. Die Landestützen waren
längst im feuchten Boden verrostet, die Triebwerke beherbergten
Käfer, Beuteltiere und eine grüne Fledermausart, aber das
Schiff war innen ziemlich intakt. Die Männer der Arbeitsgruppe,
die auch die beiden Säcke vergraben hatten, waren unermüdlich
gewesen und hatten lautlos und unbemerkt das Schiff präpariert -
vor einem Vierteljahr.
Die wenigen Tage hatten genügt, die Stammeshäuptlinge
aller Dörfer zusammenzubringen. Sie waren auf kleinen Schiffen
das Ufer des großen Sees entlanggefahren, hatten in Kanus den
Weg über die Flüsse und Ströme zurückgelegt und
waren - wie Anahay - zu Fuß gekommen. Jetzt standen die
schnellerbauten Hütten in einem weiten Kreis in der Tempelstadt,
und die Krieger der verschiedenen Stämme standen beisammen und
hielten Palaver. Große Feuer brannten, und als der Häuptling
und Anahay in einen dichten Kreis von Wachen traten, setzte sich ein
Murmeln fort: „Der Wanderer kommt - und sein Häuptling.“
„Wir grüßen dich, Wanderer. Ihr hattet einen guten
Weg?“
„Ja, wir sind müde, und der Zauber ist erst morgen.“
„So sei es.“
Anahay schlief ein, ohne an die Gefahren zu denken, in denen er
schwebte. Wie ein Racheengel strich der Schamane umher und beriet
sich mit seinen Brüdern aus anderen Stämmen. Er hetzte und
geiferte, aber die Wachen, die das Grashaus des Häuptlings
umstanden, ließen niemanden durch. Anahay schlief, bis der
Morgen kam.
Der Mechanismus, der die Rampe ausfahren und die Lastenschleuse
des Schiffes öffnen sollte, war genau eingestellt. Ein Motor
lief an und erzeugte den Öldruck, der dazu notwendig war. Genau,
wenn die Sonne ihre Strahlen senkrecht schickte, sprang das Relais
einer Fotozelle an. Es galt, vorsichtig zu sein. Funktionierte ein
einziger Teil nicht, kam Anahay um seinen Erfolg.
Bei der Mentalität dieser Menschen konnte es sein Leben
kosten - und den Erfolg des Auftrags.
Anahay erwachte und fand ein seltsames, warmes Licht, das den
Morgen erfüllte. Der Häuptling erwachte gleichzeitig, rieb
sich die Augen und kroch dann aus dem Eingang. Sie blieben stehen und
sahen sich um. Es war ein Bild, das kaum seinesgleichen hatte.
Die weite, kreisförmige Ebene war erfüllt von dem Rauch
unzähliger Feuer. Der Rauch stieg gerade in die unbewegte Luft,
und die Perlen der Tautropfen schimmerten im Licht der
schrägfallenden Strahlen. Der Himmel wurde schnell lichter.
„Alle Häuptlinge sind da, Wanderer. Wann wirst du
deinen Zauber machen?“
Eine immer wiederkehrende Erzählung war in den Speicher des
Würfels einprogrammiert worden: Der Wanderer Anahay machte einen
großen Zauber, und genau um Mittag öffneten sich die
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