PR TB 064 Männer Fur Lacertae
Regierungsgewalt - das ist
alles.«
Sie starrte ihn an. Ihr Gesicht überzog sich mit Zornesröte.
»Das könnte Ihnen so passen. nein! Lieber in Frieden
hier - und sterben ohne Nachkommen. Aber nie wird es geschehen, daß
ein Mann uns beherrscht. Davon haben wir alle genug.« Sie
lehnte sich wieder zurück, plötzlich mit versöhnlicherem
Gesichtsausdruck. »Seien Sie doch vernünftig, John, ich
bitte Sie. Bleiben Sie in Ihrer Isolation, erforschen Sie mit Ihrem
Gleiter die nähere Umgebung, meinetwegen den ganzen Planeten -
es gibt soviel, was Sie tun könnten. Noch nie hat ein Mann eine
ganze Welt für sich allein gehabt. Und wenn Sie wollen, kommen
Sie zurück und besuchen uns. Aber bleiben Sie nicht immer hier
in unserer Nähe. Das würde Unruhe stiften, Unsicherheit und
Mißtrauen. Versuchen Sie doch, mich zu verstehen.«
»Also keine neuen Ehegesetze?«
»Nicht solche, die Sie zum Herrn über uns machen.«
Langsam stand er auf.
»Vielleicht haben Sie recht. Und vielleicht denken Sie in
einem Jahr anders darüber. Im Augenblick werde ich Ihren Rat
befolgen und den Forscher und Abenteurer spielen. Leider haben wir
kein Funkgerät, und ich kann keins bauen. Wir werden also nicht
in Verbindung sein, wenn ich unterwegs bin.«
»Um so besser. Einige der Mädchen werden Sie sogar
vergessen.«
Er lächelte vielsagend und reichte ihr die Hand. »Bis
bald, Ann. Unter anderen Umständen.«
Sie sah ihm wortlos nach, und ein etwas wehmütiges Lächeln
spielte um ihre Lippen. Es war noch immer da, als seine Schritte
längst in der Nacht verklungen waren.
Am anderen Morgen fehlte der Gleiter, und John war verschwunden.
Aber es fehlte auch Bess Stream.
Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, ging das Leben der
Kolonie seinen alten Gang weiter. Es wurde sogar besser. Nachdem Ann
den Frauen klargemacht hatte, daß es absolut sinnlos sei, die
beiden auf einer leeren Welt zu suchen, fanden sich alle damit ab,
ihr Leben ohne Familie und Nachkommen hier am See zu beenden. Die
Felder wurden bestellt, die Gärten angelegt und bepflanzt, die
erste Ernte eingebracht.
Allmählich vergaß man John Brock und Bess Stream.
Ein Jahr verging.
Inzwischen wußte man, daß es auf Lacertae keine
Jahreszeiten gab. Das Klima war gleichbleibend schön, und in
regelmäßigen Abständen fiel der für die
Vegetation notwendige Regen. Es konnte jederzeit gesät und
geerntet werden. Das Leben verlief friedlich und sorglos.
Auch ohne Männer.
In gewissem Sinn gab es noch ein Gemeinschaftsleben, aber es hatte
sich erstaunlich aufgelockert. Zwei oder drei Mädchen lebten
zusammen in einem Haus und teilten sich die Arbeit. Eins von ihnen
verwies sich vielleicht als besonders geschickt in handwerklichen
Dingen und stellte erste Gebrauchsgegenstände her, die dann
auf dem täglichen Markt in der Bucht gegen andere Waren
eingetauscht wurden.
Die Kolonie hatte die Bewährungsprobe des ersten Jahres
überstanden. Das Leben hatte einen Sinn erhalten, auch wenn es
ohne Zukunft blieb. Wenn sie starben, in fünfzig oder hundert
Jahren, war alles vorbei. Es blieben nur die leeren Hütten, die
dann zerfielen und vom Urwald überwuchert wurden.
An diesem Abend ging Ann ein wenig spazieren. Sie lebte jetzt mit
Mrs. Dilldap zusammen, die ihr den Haushalt führte. Vielleicht
nicht die ideale Partnerschaft, aber zumindest eine zweckmäßige.
Ann brauchte sich nicht um das Haus zu kümmern und konnte ihren
»Regierungsgeschäften«, wie sie es selbst spöttisch
nannte, nachgehen, während Mrs. Dilldap von allen anstrengenden
Arbeiten befreit war.
Ihr Weg führte sie an dem Kap vorbei, auf dem John gewohnt
hatte. Das kleine Haus stand noch immer leer, und wenn Ann es sich
richtig überlegte, war es zu einer Art Kirche geworden. Schon
oft hatte sie beobachten können, wie sich die Mädchen
verstohlen hierher bis an den verrosteten Drahtverhau schlichen,
sehnsüchtig hinüber zu der Hütte blickten und dann
wieder im Wald verschwanden.
»Sentimentalitäten«, murmelte sie wütend
über sich selbst und ging weiter. »Es gibt keinen John
Brock mehr - es darf ihn einfach nicht mehr geben. Und eine Bess
Stream gibt es auch nicht!«
Später klopfte sie an Hilde Smarts Tür. Es brannte noch
Licht hinter den buntgestickten Vorhängen. Hermeline Dekk und
Mary Geldern, die mit Hilde zusammenwohnten, waren auch noch auf.
»Ein seltener Besuch«, sagte Hilde erfreut, als sie
die Tür öffnete. »Das ist nett von dir, noch
‘reinzuschauen, Ann.
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