PR TB 067 Der Endlose Alptraum
war.
Aber darüber hinaus erfuhren Noir und Geranger auch einiges
über das Schicksal des Archäologen Phillip Costa. Ylina
nannte nie einen Namen, sie sprach nur von »Erdegas und Janz'
Vater«. Für Geranger stand es dennoch fest, daß es
sich dabei nur um den vermißten Freund handeln konnte. Ylina
berichtete von dem Schatz, den der Archäologe gefunden hatte,
von den verhängnisvollen Strahlen, die angeblich von ihm
ausgingen und Erdegas Mißgestaltung bewirkt hatten. Und sie
erzählte auch, daß der Archäologe und seine Frau von
Banditen getötet und daß die beiden Kinder von einem
Unbekannten gefunden worden waren, der sie schließlich nach
Accoun ins Waisenhaus gebracht hatte.
Das alles erfuhren die beiden Männer, aber sie waren nicht
recht damit zufrieden. Geranger drückte seine Unzufriedenheit
mit folgenden Worten aus: »Erdegas und Janz' Geschichte klingt
viel zu phantastisch, um wahr sein zu können. Mir kommt sie vor,
als sei etwas Wahrheit mit viel Mythos verbrämt worden. Ihr
Lebenslauf hört sich wie eine
Legende an.«
»Glauben Sie mir etwa nicht?« erkundigte sich Ylina
angriffslustig.
»Doch, ich glaube dir«, versicherte Geranger.
»Aber Sie haben Zweifel!«
»Nicht am Wahrheitsgehalt deiner Worte, Ylina«, sagte
Geranger. »Was ich meine, läßt sich schwer in
wenigen Worten ausdrücken. Aber ich will es versuchen. Die
Geschehnisse liegen schon zwanzig Jahre zurück. Erdega und Janz
waren damals noch klein, sie können nicht eigene Erinnerungen an
diese Zeit haben, sondern jemand mußte ihnen erzählen, was
damals geschah. Und durch diese mündliche Überlieferung
wird nicht mehr viel von der Wahrheit übriggeblieben sein.«
»Jetzt erinnere ich mich, daß Erdega von dem Mann, der
sie ins Waisenhaus brachte, die Vorgänge im Askadir-Gebirge
erzählt bekommen hat«, rief Ylina.
»Siehst du, das habe ich gemeint«, sagte Geranger.
»Der Mann hat selbst nicht genau gewußt, was damals
vorgefallen war, und mußte eigene Details erdichten. Und für
die übrigen Ausschmückungen hat Erdegas kindliche Phantasie
gesorgt.«
»Erdega ist nicht geistesgestört«, rief Ylina
aufgebracht.
»Habe ich das behauptet?«
»Nein, das haben Sie nicht. Aber Sie haben es gedacht.«
»Ich habe nicht daran gedacht, weil ich gar nicht in der
Lage bin, mir ein Urteil über ihn zu bilden.«
»Aber alle Leute glauben, Erdega sei nicht richtig im Kopf.
Selbst Janz, sein eigener Bruder, denkt das.«
»Ich bin Psychologe, Ylina«, erklärte Geranger
geduldig. »Du solltest mich nicht mit Leuten auf die gleiche
Stufe stellen, die Vorurteile gegen alles haben, was sie nicht auf
Anhieb verstehen können. Du kannst mir glauben, daß ich
sehr vorsichtig mit dem Ausdruck >geistesgestört< umgehe.«
Sie senkte den Blick. »Entschuldigen Sie.«
Geranger lächelte. »Schon geschehen.«
»Werden Sie mir helfen?«
Diese direkte Frage, die so unvermutet kam, irritierte den
Psychologen.
»Grundsätzlich bin ich dazu bereit«, sagte er
ausweichend. »Aber du selbst hast gesagt, daß du nicht
weißt, wie du dir eine Hilfeleistung vorstellst.«
»Das war gelogen«, bekannte sie. »Ich habe von
Anfang an gehofft, daß Sie mich von meinem Vater fortbringen
und mit nach Halperoon nehmen würden.«
»Das. das hast du dir erhofft?« wiederholte Geranger.
Sie nickte eifrig. »Ich brauche nicht mehr zurückzugehen.
Sie
könnten mich gleich von hier mitnehmen. Es gibt nichts, keine
Habe, keine Andenken, die ich mir von meinem Vater holen wollte. Ich
möchte ihn nicht mehr sehen. Ich könnte es nicht ertragen,
ihn noch einmal zu sehen. Ich möchte alles, was mich mit ihm
verbindet, zurücklassen - selbst die Erinnerung an ihn, wenn das
ginge.«
»Es ist.« Der Psychologe verstummte und warf einen
hilfesuchenden Blick zu Noir, dann fuhr er stockend fort: »Ich
weiß noch gar nicht, ob
- äh - ich nach Halperoon gehen werde. Und wenn doch, das
würde lange Vorbereitungsarbeiten verlangen. Ich kann nicht von
heute auf morgen abreisen. Was soll in der Zwischenzeit aus dir
werden? Du kannst unmöglich hierbleiben. Ich würde dich mit
zu mir nach Hause nehmen, aber.«
Was würde Aria dazu sagen, daß du ihr so unverkennbar
ähnelst, beendete Noir den Satz für sich.
»Ich habe gewußt, daß Sie mir nicht helfen
werden«, sagte Ylina.
Zum erstenmal schaltete sich Noir ein.
»Doch, wir werden dir helfen«, sagte er.
Sie blickte hoffnungsvoll zu ihm auf.
Er fuhr fort: »Du mußt nur ein wenig Geduld haben. Wie
Professor
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