PR TB 068 Die Säulen Der Ewigkeit
verschiedenen Teile des Heeres.
»Deine Bogenschützen befehligen die einzelnen Truppen?«
Ich nickte.
»Ich werde heute nacht mein Pferd nehmen und mehrmals um
Sais herumreiten. In neun Tagen wirst du in der Stadt einziehen,
Menes!«
»Tue dies. Neter-Nacht wird dich begleiten.«
Wir hatten in den vergangenen Tagen einige Signale ausgedacht und
die Bedeutung weitergeben lassen. Jeder der Kämpfer wußte,
wann was zu geschehen hatte.
Auf dem Schiff herrschte fröhliches Gelächter. Einige
Unterführer scherzten mit den Mädchen, von den nahen
Lagerhäusern drangen Rufe der Soldaten und die Wolken der Feuer
herüber, an denen sich die Tiere drehten. Das Gebiet rund um
Sais war entvölkert, aber es gab genügend Reste von Herden
und -jagdbares Wild. Die Kornspeicher aber waren leer gewesen.
Einen goldenen Becher voll Wein in der Hand, stand Menes plötzlich
auf. Die beiden Priester, die unbeweglich auf der umrundeten
Plattform über dem Bug saßen, erhoben sich ebenfalls. Ein
Moment dramatischer Spannung entstand; die Musikinstrumente
schwiegen, nur noch die Trommeln hackten einen nervösen,
gleichförmigen Rhythmus. »Ich, Menes, bin gekommen über
dieses Land, das uneins war. Ich bin gekommen aus dem Schöpfer
Atum, Wasser der Finsternis, und aus seinen Kindern Geb und Nut, aus
Shu und Tefenet. Ich, Sohn der Osiris und Inkarnation des Horus, sage
dieses:
Ich werde aus dem Land ein Reich machen. Vom Delta bis zur Hapis
Höhle am ersten Katarakt. Ich werde Sais und Buto Untertan
machen und Frieden über die Stämme bringen.
Ich werde an der Spitze meiner Krieger gegen die Städte
stürmen! Und ich werde, wenn ich Sais und Buto unterworfen habe,
aus Memphis eine gewaltige Stadt machen, die zum Mittelpunkt des
Landes wird. So soll man es schreiben!«
Und die Priester antworteten:
»So soll es geschehn!«
Es war, als halte das riesige Heer den Atem an. Alle Tätigkeit
ruhte, als der Pharao den Becher ausgoß und den Göttern
opferte. Die ungeheure Maschinerie des Belagerungskrieges brauchte
nur noch angeworfen zu werden, dann lief sie von selbst.
Am Ende dieser zahllosen Bauwerke, Belagerungsmaschinen und
Pfeilschüsse, der kleinen Angriffe und der psychologischen
Einschüchterung des Gegners stand die Einigung des Reiches. Der
Wein plätscherte in den Nil, in das verkörperte Leben
dieses
Landes, und die Musik setzte wieder ein. Die Belagerung
hatte eingesetzt. Ich stand mit Nefer-meryt auf der Plattform des
Hecks. Vor uns reckte sich das stilisierte, aus Holz mit roter und
goldener Verzierung bestehende Schilfbündel in die herrlich
blaue, reglose Luft des ägyptischen Himmels. Nefer-meryt sah
mich schweigend an. Ihr Körper verströmte einen
durchdringenden Geruch nach einem unbekannten, geheimnisvollen
Duftstoff; die junge Frau wirkte etwas zu ernst, angespannt. Sie
sagte leise:
»Wer bist du wirklich, Re-Atlan?«
Ich lächelte ernst und stützte mich gegen das dünne,
zerbrechliche Geländer der Plattform. »Das wirst du
erfahren, sobald die Stadt gefallen ist. Dann werden wir mit meinem
Wagen durch die Palmenhaine um Memphis fahren und reden.«
Sie senkte den Kopf. Ich fuhr fort:
»Ich werde dich mit mir nehmen. Menes und ich werden dieses
Land zum Blühen bringen, und dort, jenseits von Memphis, liegt
eine kleine Insel im Nil. Dort werde ich aus Stein und Holz ein Haus
bauen; die Luft dort ist so mild, daß jeder Tag den Frühling
bringt. Wir werden den Sepedet sehen, auf Fellen schlafen und keinen
Unterschied machen zwischen Sonne und Mond. So wird es geschehen!«
Eine leichte Schwäche ergriff sie; aus der starren,
selbstbewußten Haltung der Pharaonenschwester wurde die einer
unsicheren jungen Frau. Sie lehnte sich schwer gegen den
hochgekrümmten Steven und sah mich starr an. Sie atmete schwer,
und ihre Finger spielten unbeherrscht mit dem Halbkreis des
Brustschmucks. Dann zog sie einen schweren Ring vom Mittelfinger der
Rechten und gab ihn mir.
»Trage ihn während des Kampfes«, sagte sie. »Und
Horus wird über dir schweben!«
Ich steckte den Ring an den kleinen Finger; auf einen anderen
paßte er nicht. Dann winkte ich einer Sklavin, nahm zwei Becher
Wein und gab Nefer-meryt einen davon. Wir tranken, und über den
Rand der Becher hinweg sahen wir uns in die Augen. Die Blicke
versprachen mehr, als die Worte ausdrücken konnten, und als ich
bei Anbrach der Dunkelheit zusammen mit Neter-Nacht und Hepetre den
Steg des Schiffes betrat und auf mein Pferd zuging, sah ich deutlich,
wie mir die
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