PR TB 071 Sturm Uber Babylon
Marduks Feinden,
Hauptmann. Und hier .. . ein Nagel! Wer schleift deine Schwerter?"
„Hält's Maul!" fuhr ihn der Hauptmann an, griff
mit beiden Händen an den Knauf und riß mit einer
übermächtigen Kraftanstrengung das Metall aus der
Tischplatte. Er hob die Schneide hoch und ging näher an die
Flamme der Lampe heran.
Die Scheide ist völlig unversehrt!
„Unmöglich. Ich habe den Nagel...", murmelte
Ulalach.
Er stemmte beide Bretter auseinander und sah, daß der
fingerdicke Bronzenagel glatt abgeschnitten war. Dann setzte er sich,
stützte den Kopf in
die Hand und starrte abwechselnd Shiadad und die Waffe des Fremden
an.
„Ein Wunder. He!"
Die anderen Schützen kamen widerwillig näher.
Ulalach sprang auf, streckte den Arm aus und deutete auf Jamchad.
„Dein Schwert, Jamchad!"
Der Wächter gehorchte und zog sein Schwert aus der Scheide.
Binnen weniger Sekunden hatte sich um den Hauptmann ein dichter Kreis
gebildet. Die Männer wußten nicht, was der Hauptmann
vorhatte. Ulalach legte das Schwert Jamchads vor sich quer auf den
Tisch, schob alles andere mit dem Unterarm zurück und trat zwei
Schritte in den Raum hinein.
„Sehen wir weiter!" murmelte er wütend.
Er holte aus, als müsse er einen Felsen spalten. Er bog sich
zurück, spannte alle seine Muskeln an und schlug dann zu. Das
Schwert des weißhaarigen Fremden sauste
mit einem fauchenden Geräusch durch die Luft, traf die andere
Waffe, spaltete sie und drang doppelt fingerdick in die Platte ein.
Die Wucht des Schlages riß das Heft aus der Hand des
Hauptmanns.
„Schamasch hat es gesehen! Ein Wunder!"
Das Schwert aus bester Bronze lag in zwei Teilen auf dem Tisch,
weggeschleudert und an den Schnittstellen glänzend, ohne Späne
oder Ecken. Das Metall der fremden Waffe war hindurchgegangen wie
durch Wachs. Hinter Ulalachs Rücken flog eine Tür auf, und
Kishurra stand im Raum. „Ulalach!"
Der Hauptmann fuhr herum und verbeugte sich. Kishurra war wakil
amurrim, der Obmann der Freien Stämme im Heer und deren Felder,
mithin fast die zweitwichtigste Person im Palast des Hammurabi.
„Wakil Kishurra?"
Der schlanke Mann mit den Gesichtszügen des reinrassigen
Babyloniers blickte sich schweigend um, bemerkte die Verlegenheit der
Wächter und fragte gefährlich leise:
„Was geht hier vor?"
Mürrisch, aber ehrfürchtig sagte der Hauptmann:
„Wir waren eben Augenzeugen eines Wunders. Ein
Wunderschwert."
Er trat an den Tisch, riß an dem fremden Schwert und hielt
es Kishurra entgegen. Kishurra sah die Waffe an, richtete einen
fragenden Blick auf den Hauptmann und sah dann zu, wie der Anführer
der Tempelwachen das
zerschnittene Schwert hob und ihm entgegenhielt.
„Das Schwert des weißhäutigen Bartlosen
zerschnitt Jamchads Schwert wie ein Stück Wachs. Wir verteilten
gerade die Beute von gestern nacht."
Kishurra nahm das rätselhafte Schwert, wog es ebenso wie
Ulalach in der Hand und verzog anerkennend die Lippen. Dann ließ
er sich die Scheide geben, schob das Schwert wieder hinein; er hatte
genug gesehen die Schneiden des Schwertes waren unversehrt wie die
Gedanken Marduks. Er ließ sich den Dolch geben, lehnte sich
gegen den Tisch und sagte:
„Es hat ein Gerücht gegeben in den Schränken und
zwischen den Mauern
Babylons. Ein fremder Herrscher und
Arzt ist angekommen und ist verschwunden. Wo ist er?"
„Im Tempelkerker, Vater!" sagte Ulalach leise.
„Warum?"
„Er versuchte vor einem Tag, zusammen mit einem jungen
Assyrer, Marduk zu schänden."
Kishurra nickte und lächelte kaum wahrnehmbar.
„Da aber Marduk ein mächtiger Gott ist, hat er es nicht
zugelassen. Ihr habt also den Fremden und den Assyrer gefangen und in
den Kerker gebracht. So muß es gewesen sein. Istesso?"
„So ist es, Vater!" sagte Ulalach.
„Halte dich bereit, dem Fremden Wasser zu bringen und ihn
vor Hammurabi zu geleiten. Ich habe gesagt: Geleiten, nicht zerren!
Bald."
Ulalach verbeugte sich und fluchte unhörbar.
„Wann?"
Kishurra erwiderte kühl:
„Ich weiß es nicht genau. Dann, wenn Hammurabi in
seiner Güte ein wenig Zeit haben wird. Ich lasse es dir sagen,
Ulalach." Kishurra betrachtete eine Weile lang die erstarrten,
erstaunten Gesichter der Tempelwächter, dann hob er wie grüßend
das Schwert mitsamt dem prunkvollen Gehänge hoch, steckte den
Dolch Atlans in seinen Gürtel und verließ die Hütte.
Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, warf Ulalach
einen Kuperbecher zu Boden, trampelte darauf herum und
Weitere Kostenlose Bücher