PR TB 071 Sturm Uber Babylon
unter
Kishurras Führung die besten Männer. Ich ließ mir das
Tor öffnen, rannte über die Brücke und stieg
schwitzend die Treppen des rechten Turmes hoch.
Kishurra drehte sich blitzschnell um, sah mich und hob die Hand.
„Wie steht es am Wasser?"
Ich blieb neben ihm stehen, an den harten, kalten Stein gelehnt,
und sagte laut: „Die Kettenschleudern haben sämtliche
Boote vernichtet. Das wird Zimrilim nicht wiederholen."
„Gut! Gut! Hier sieht es schlechter aus."
Um einen Ausfall und Flankenangriffe zu vermeiden, hatte Zimrilim
seine Gruppen in der Form einer Sichel um das Doppeltor postiert. In
den ersten Reihen standen die Bogenschützen hinter den
länglichen, wie ein halbierter Zylinder geformten Schilden.
Dahinter brachte man einfache Schleudern heran, die haufenweise
Steine gegen die Mauern schleuderten. Da man die
Bedienungsmannschaften zwar nicht mit Pfeilen treffen, aber gut
beobachten konnte, trafen nur wenige der geschleuderten Kieselsteine.
Kishurra spannte seinen Bogen, der fast doppelt so groß war
wie er selbst, hielt ein Ende mit der Fußspitze fest und schoß
einen kleinen Speer ab. Mit einem heulenden Geräusch jagte der
Speer schräg abwärts und durchbohrte einen Hauptmann und
spaltete das Rückgrat seines Pferdes.
„Braucht Kraft, ist aber eine wirkungsvolle Waffe",
stellte der Feldherr zufrieden fest. „Der dort hinten auf dem
Schimmel ist Zimrilim."
Ich hob mein Glas.
Hinter seinen Truppen, im Schatten einer Palmengruppe, stand ein
Mann. Er und sein Pferd waren weiß. Die Rüstung schien
silbern zu sein, aber alles war
entweder aus weißem Leder oder aus kostbarem Pelz. Zimrilim
hatte ein hageres Gesicht, einen schmalen Bart und offensichtlich
auch dunkle Augen. Sein Kopfhaar war kurz geschnitten. Ich
betrachtete sein Gesicht lange durch das Fernglas. Merkwürdig
Zimrilim, vor einigen Jahren noch der Bundesgenosse Hammurabis, hatte
den Gesichtsausdruck eines Zauderers eines Gejagten, wie Daganya
sagen würde , der von jemandem in diesen Kampf getrieben worden
war. Er sah nicht im mindesten mutig oder machtbesessen aus. Auch
seine wenigen Bewegungen waren vorsichtig, fast ein wenig weich. Er
wandte jetzt den Kopf, als ein triefendnasser Mann auf einem
ungesattelten Pferd heransprengte, im vollen Lauf absprang und vor
dem König in den Sand fiel.
Beide Männer sprachen miteinander.
Dann legte Zimrilim eine Hand vor die Augen und verharrte
schweigend; jedenfalls bewegten sich seine Lippen nicht. Um seine
Augen erschien ein fragender Ausdruck, dann schob er Mund und
Unterkiefer vor. Eine falsche Entschlossenheit kam in seine Züge.
Er winkte mit der Hand, beachtete den Mann neben ihm nicht mehr und
rammte dem Schimmel die Hacken in die Seiten.
Er sprengte auf eine der Belagerungsmaschinen zu.
„Aufgeregt, wie?" murmelte Kishurra und tauchte ei* nen
mächtigen Pfeil, dessen Spitze mit pechgetränkter Wolle
verkleidet war, wieder in den Ölkrug, wartete Sekunden und
entzündete den Pfeil an der kleinen Flamme. Eine strahlende
Feuerkugel jaulte abwärts und schlug mitten in die Mechanik
einer Belagerungsmaschine ein. Brennendes Öl spritzte umher, die
Männer wichen zurück, und die Seile der Maschine fingen
Feuer. Zimrilims Pferd scheute und warf seinen Reiter beinahe ab. Die
kleine Speerschleuder, die wir hier fest eingebaut hatten, warf einen
Balken aus, dessen Vorderteil aus einem gewaltigen Kupferdorn
bestand. Der Balken drang genau zwischen den Vorderbeinen des
Schimmels ein. Das Tier
stieg hoch, brach nach hinten zusammen und begrub den Herrscher
unter sich. Die Männer, die ihm helfen wollten, wurden von einem
Pfeilhagel von der rechten Mauer zugedeckt und starben.
Ich winkte einem Läufer.
„Hört auf. Wir warten ab!"
Minuten später herrschte ein trügerisches Schweigen um
die beiden kantigen Türme.
Kishurra sagte nach einiger Zeit:
„Wir sollten einen Rundgang machen, Shar-Atlan. An dieser
Stelle wird heute nicht mehr gekämpft."
Langsam und in guter Deckung zogen sich die Truppen des Zimrilim
zurück. Kishurra schickte einige Läufer los. Die Hälfte
der Wachen aß, trank und legte sich schlafen. Das Geschrei
verstummte. Es war früher Nachmittag.
Hinter uns ging langsam der alte Sklave einher, als wir die
breiten Mauern der Stadt abschritten. Sie waren insgesamt rund
zehntausend Meter lang, das bedeutete fünfzehn tausend Schritte
in der glühenden Sonne.
„Was stand auf dem Pergament, Atlan?" fragte Kishurra,
warf den Rest des Bratens nach einem
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