PR TB 088 Welt Im Psycho Sturm
Überläufer
war, wie etwa jene Boscyks, die sich den Hoorns angeschlossen hatten.
Er war kein Verräter, nur ein Mann, der sich die Freiheit
gewünscht hatte. Aber die Boscyks machten da keinen Unterschied,
sie waren gnadenlos, sie kannten keine Milde.
Wie hatte Burian Boscyks Plädoyer vor dem Familienrat noch
gelautet? Lorm erinnerte sich Wort für Wort daran.
»Wir töten dich nicht, Lorm, obwohl du das gemeinste
Verbrechen begangen hast, dessen sich ein Boscyk schuldig machen
kann. Nein, wir wollen dir die Chance geben, der Familie einen
nützlichen Dienst zu erweisen. Da ein Wetterwart einer der
Randzonenburgen nach langem, leidvollen Dienst die verdiente Ablösung
erhalten hat, werden wir dich auf diesem Posten einsetzen. Du wirst
also deine Schuld sühnen, indem du die Familie vor dem
herannahenden Psychosturm warnst. Dieses Urteil ist gerecht und
unanfechtbar. Wir wünschen dir ein langes Leben!«
Ja, sie hatten ihm ein langes Leben gewünscht. Ein langes
Leben in Angst, Qual und Schrecken! Er dagegen hatte sich schon
unzählige Male gewünscht, ein gnädiges Schicksal möge
ihn von seinen Leiden erlösen.
Lorm kniff die Augen zusammen und starrte zum Dschungelrand
hinüber. Irrte er sich, oder waren die Pflanzen tatsächlich
zur Ruhe gekommen? Zu normalen Zeiten konnte man das Wachstum der
Flora mit reifem Auge beobachten. Die Hecken wuchsen mit
erschreckender Geschwindigkeit und hätten schon lange den ganzen
Planeten überdeckt, wenn die Boscyks nicht während des
Psychosturms Säuberungskommandos ausgeschickt hätten. Denn
nur während jener Tage und Nächte, in denen der Wahnsinn
Hoorns Paradies beherrschte, war der Wachstumsprozeß der
Pflanzenwelt unterbrochen. Eines der untrüglichen Anzeichen für
das Herannahen des Psychosturmes war, wenn die Hecken sich nicht
weiter ausbreiteten.
Es konnte noch Minuten dauern, oder Stunden.
Lorm wischte sich die schweißnassen Handflächen an der
Hose ab und ging
zum Bildsprechgerät. Während der Wonnezeit war die
Leitung tot, und Lorm konnte es nicht aktivieren. Erst wenn die
kritische Zeit eintrat und die Amokperiode bevorstand, konnte Lorm
mittels des Alarmknopfes die Verbindung mit der nächsten Festung
herstellen.
Er drückte auf den Alarmknopf. Als hätte man in der
Festung nur darauf gewartet, erhellte sich der Bildschirm, und der
Kopf eines verwilderten Mannes erschien darauf. Es war Glon
Vanon-Boscyk, Lorms älterer Bruder, ein fanatischer Verfechter
der Familiengesetze.
Er blickte gelangweilt auf Lorm.
»Ist es am Ende schon soweit?« fragte er.
»Ja«, sagte Lorm und beleckte sich die Lippen. »Die
Hecken sind zum Stillstand gekommen.«
»Ich werde es weitermelden«, versprach Glon. Sein
Blick wurde prüfend. »Spürst du schon etwas?«
Lorm zögerte. Er wollte schon lügen, doch dann wagte er
es doch nicht. »Ich habe noch keine Wahnvorstellungen, wenn du
das meinst«, sagte er und fügte schnell hinzu: »Aber
ich habe eine Ahnung, die mir sagt, daß es gleich losgeht. Du
weißt, während meines Dienstes als Sturmwart habe ich
einen ausgeprägten Instinkt entwickelt. Er hat mich bisher noch
nie betrogen. Ich weiß auch diesmal, daß es gleich
losgehen wird. Schickt mir eine Tarnkappe, bevor.«
Glon grinste. »Nur mit der Ruhe. Du bekommst deine Tarnkappe
noch rechtzeitig. Ganz bestimmt, Lorm. Aber als Sturmwart hast du die
Pflicht, uns vom Beginn der Amokperiode zu informieren. Setz also den
Enzephalographen auf, damit wir mit unseren Messungen beginnen
können.«
Der Bildschirm erlosch, und in der gleichen Sekunde erwachten die
hinter den Konsolen versteckten Geräte zu summendem Leben. Lorm
wußte, daß nun die optischen Übertragungsgeräte,
die Psycho- und Individualtaster und alle anderen Meßgeräte
anliefen, die seine sichtbaren und unsichtbaren Reflexe
aufzeichneten.
Lorm hielt die Hand vor die Augen. Die Hand zitterte. Er wandte
sich in die Richtung, in der er die Fernsehkameras vermutete.
»Bitte, schickt mir bald eine Tarnkappe«, murmelte er.
Er ging zum Fenster. Gerade als er es erreichte, erschien ein
Schatten davor. Eine riesige Pranke reckte sich durch die Gitterstäbe
und faßte nach Lorm. Er spürte die Krallen über seine
Wangen streichen, konnte sich aber mit einem Satz zurück in
Sicherheit bringen. Ein heiseres Gebrüll erscholl, dann tauchten
drei rotglühende Augen vor dem Fenster auf und starrten voll
Heißhunger auf Lorm.
Ein Welsch!
Lorm wirbelte herum und hieb mit aller Kraft auf die Taste, die
Düsen in
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