PR TB 088 Welt Im Psycho Sturm
nehmen.«
Sie erhoben sich beide gleichzeitig. Atlan schüttelte
bekümmert den Kopf. »Dann ist es also doch wahr, daß
du deine eigenen Wege gehen möchtest. Hoffentlich bereust du
diesen Entschluß nicht. Ich möchte dir jedenfalls in
Erinnerung rufen, daß innerhalb des Imperiums große
Aufgaben auf dich warten.«
Atlan sprach noch weiter, aber Michael verstand die Worte nicht.
Er hörte nicht bewußt weg, sondern er konnte sich ganz
einfach nicht darauf konzentrieren. Er hatte eben noch die Wärme
und Zuneigung gespürt, die der zehntausendjährige Arkonide
für ihn empfand. Im nächsten Augenblick richtete sich
zwischen ihnen eine unsichtbare Barriere auf. Etwas Fremdes,
Geheimnisvolles schob sich zwischen sie, das kalt und unüberwindlich
war.
Michael starrte auf Atlans Lippen, die langsam aufquollen, ihre
Konturen
verloren und plötzlich das ganze Gesicht beherrschten. Und
dann bekamen diese Lippen Sprünge, die breiter wurden - zu
klaffenden Rissen wurden, aus denen menschliche Sinnesorgane fielen:
Augen wie Kugelraumer, Ohren wie Diskusschiffe, Nasen wie Raketen.
Sie fielen zu Boden und zersprangen. Und aus den Rissen in Atlans
Lippen sprossen seltsame Gebilde, die wie zu Blüten geformte
Münder aussahen. Sprechende Blüten.
Michael wandte sich schaudernd ab.
»Mike, was ist mit dir?« rief Atlan.
»Nichts, es geht gleich vorbei«, versicherte Michael.
»Ich. ach, ich kann es dir nicht erklären. Es ist nur
besser, wenn ich dir nicht in die Augen sehe.«
Im Geiste ärgerte er sich über Dr. Lyschka, die ihm
versichert hatte, daß die psychedelischen Alpträume nur
dann einsetzten, wenn er zu weiblichen Wesen Kontakt unterhielt.
Atlan war jedoch nicht dazu zu zählen - warum befielen Michael
die Alpträume trotzdem?
Dafür gab es nur zwei unbefriedigende Erklärungen:
Entweder stimmte Dr. Lyschkas Theorie nicht, oder Atlan wurde wegen
seiner schulterlangen Haarpracht als weibliches Wesen eingestuft!
FAMILIENCHRONIK HOORN:
Um endlich die Zwistigkeiten zwischen den beiden Familien
beizulegen, war beschlossen worden, daß Lymina Hoorn und Filp
Boscyk heiraten sollten. Lyminas Vater Garweil hatte der Verbindung
bereits zugestimmt. Filps Vater Burian hatte sein Einverständnis
gegeben. Filp war begeistert. Nur Lymina hatte trotzig gesagt: »Ich
heirate nur Michael!«
Lorm Vanon-Boscyk kam in der Wetterstation halb um vor Angst.
Es waren viele Dinge, die er in dem ungeschützten Turm zu
befürchten hatte: die Ungeheuer der Tierwelt, Naturkatastrophen
und schließlich seine eigenen Brüder und Schwestern, die
ihn oft als Zielscheibe benutzten. Aber trotz dieser Gefahren und
seiner Einsamkeit führte er in den Wonneperioden ein
verhältnismäßig geruhsames Leben. Gelegentlich kam
auch Filp Boscyk zu Besuch.
Aber eine dieser Perioden ging wieder einmal dem Ende zu, und Lorm
sah schrecklichen Zeiten entgegen. Irgendwo dort draußen in
diesem urweltlichen Land braute sich etwas Unfaßbares zusammen,
das über Mensch und Tier herfiel und ihr Innerstes nach außen
kehrte.
Lorm war bereit, gegen jedes Untier zu kämpfen, aber er hatte
Angst vor dem schleichenden Irrsinn, der nicht zu sehen, nicht zu
fassen und nicht zu bekämpfen war. Doch - es gab ein Mittel
gegen diese unsichtbare Gewalt, die in regelmäßigen
Intervallen von dieser Welt Besitz ergriff. Es gab Tarnkappen, die
auf hyperregionaler Basis arbeiteten und ihre Träger vor den
verhängnisvollen Einflüssen schützten. Aber ein
solcher Schutz wurde Lorm
erst in letzter Sekunde gewährt, erst wenn man an seinen
Reaktionen das Herannahen des Psycho-Sturms erkannte. Er war das
lebende Barometer, der »Wetterfrosch«, der durch sein
Verhalten den Beginn des Psychosturmes anzeigte.
Es war nervenaufreibend, auf etwas unaussprechlich Furchtbares zu
warten, von dem man wußte, daß es kam, aber nicht wußte,
wann es auftauchte. Hätte es eine Methode gegeben, den
Psychosturm exakt vorauszusagen, dann säße er nicht hier.
Sein eigener Clan hatte ihn hier ausgesetzt!
Diese Teufel, wie er sie haßte!
Sie hatten ihn mit der härtesten Strafe bedacht, die man auf
Hoorns Paradies kannte. Und warum? Nur weil er auf Cryxtant versucht
hatte, den Clan zu verlassen. Er hatte zu den Freifahrern gewollt.
Dafür war er bestraft worden. Die Anklage des Familienrates
lautete: Verrat an der Familie. Auf Hoorns Paradies war es das
schlimmste Vergehen, sich gegen die Familie zu wenden. Lorm hatte um
Milde gebeten. Er hatte argumentiert, daß er kein
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