PR TB 162 Karawane Der Wunder
Tieren kreisten
die Geier. Sie waren Wegweiser und ständige Begleiter der
Karawane, kreisende und sich drehende Zeichen des strahlend blauen
Himmels. Uns schwindelte es, wir erlagen der tödlichen
Faszination der gleichförmigen Bewegungen von dem gnadenlos
lichterfüllten Hintergrund.
Die andere Hälfte der Karawanenangehörigen aber gehörte
zu jenen Menschen, die wenig eigenen Antrieb hatten, die geführt
werden mußten. Dies bürdete uns eine zusätzliche Last
der Verantwortung auf.
Wir mußten immer wieder die Spitze der Karawane verlassen
und die lange Reihe der Gefährte und Gruppen abreiten. Wir
sammelten die liegengebliebenen Leute auf, zogen sie zu uns in die
Sättel und schleppten sie zurück zur Karawane. Wir luden
sie einfach auf einen der Wagen ab, wo sich andere um sie kümmerten
und ihnen Wasser oder sauer gewordene Milch einflößten.
Einmal blieb ich zurück und sah die Spur an, die wir durch
den Staub gezogen hatten.
In Abständen von vierhundert Schritten lagen die Kadaver.
Soweit ich dies erkennen konnte, deuteten sie alle mit den Köpfen
nach Osten, wie auch die Tiere, die unter den Reitern von Rantiss
zusammengebrochen waren. Aber wir hatten noch nicht ein einziges Grab
entdeckt, wenn auch unsere Karawane neun Menschen in aller Hast und
Eile verscharrt hatte.
Wer schlich langsamer? Wir oder die Stunden? Die strahlende, alles
durchdringende Sonne schien im Gewölbe des Himmels
festgeschweißt zu sein. Wir litten unsagbar, aber die meisten
taten dies schweigend und hofften, es würde irgendwann besser
werden.
Asyrta hing im Sattel wie ein Sack, über den Hals des Tieres
gekrümmt.
Sie ritt mit fieberhaft aufgerissenen Augen weiter und schwitzte.
Die Karawane glitt weiter durch diese unglaubliche Einöde. Ich
kannte viele Wüsten, ich war durch eine Unzahl solcher Gebiete
gegangen, aber diese Fläche aus Staub und Hitze, Einsamkeit und
trostloser Weite bildete die absolute Ausnahme.
Die Sonne sank viel zu langsam hinter den Horizont. Die Hitze
verschwand, als habe sie es niemals gegeben. An ihrer Stelle kam die
Kälte wieder zu uns in diesem ariden Land, das keinerlei
Temperaturen speicherte. Wir begannen vor Kälte zu zittern.
»Weiter! Weiter! Wenn wir lagern, sterben wir!« sagte
ich. Nianchre warf mir im letzten Licht einen langen Blick zu. Tantri
und Skath wußten, was ich meinte. Solang wir in Bewegung waren,
half uns der eigentümliche Prozeß, der den Menschen bisher
hatte überleben lassen. Derselbe Vorgang, der an anderen Orten
den Bau von gewaltigen Tempeln, Palästen und Bewässerungsanlagen
in bewundernswerter Eile und Schönheit ermöglicht hatte,
würde die Karawane über eine erstaunliche Entfernung
bringen.
»Er hat recht. Wir alle können im Reiten essen und
trinken. Schlafen wir lieber in der Hitze!«
»Dann«, lallte undeutlich Nianchre, »müssen
aber einige von uns ans Ende des Zuges. Die anderen werden nicht so
verrückt sein wie wir.«
»Das übernehme ich mit meinen Männern«,
röchelte Tantri und spuckte einen Brei aus Staub aus.
»Danke«, sagte ich.
Hier an der Spitze gab es nur noch vier Menschen, deren Verstand
nicht von den Ereignissen überstrapaziert worden war. Ich und
die Ägypterin, Nianchre und jetzt Skath. Wir waren stolz darauf
und verfluchten gleichzeitig unsere Stärke. Unsere Augen waren
überall. Wir sahen die Männer im Sattel schwanken, ehe sie
zu Boden fielen und von den halb blinden Tieren mitgeschleift wurden.
Wir griffen ein, ehe sich die kleinen Dramen zu einer Katastrophe
erweitern konnten. Jetzt orientierten wir uns an den Kadavern und an
den Sternen.
Der Mond beleuchtete die Wüste, und sein irrsinniger bleicher
Glanz vollendete, was die brütende Sonne nicht geschafft hatte.
Von hinten hörten wir Schreie und das Knallen der Peitschen, mit
denen die Reiter unsere Karawanenteilnehmer vorwärts trieben.
Wie ein Zug von Sterbenden wälzte sich die Karawane weiter.
Mein photographisch genauer Verstand sagte mir, daß es
Mitternacht war. Wir hielten an. Die Menschen ließen sich zu
Boden fallen, wo sie gerade standen. Sie waren so erschöpft, daß
sie nicht ans Essen dachten, und so schwach, daß man vielen von
ihnen das Wasser und die Milch einflößen mußte.
Wir waren verpflichtet, diszipliniert und beispielhaft zu handeln.
Wir wuschen mit nassen Fellstücken und Fetzen der Kleidung
unseren Pferden die Nüstern und ließen die Tiere trinken.
Wir achteten darauf, daß sie nur geringe Mengen Wasser in
größeren Abständen zu
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