PR TB 169 Der Purpurne Drache
der ihn verprügelt und die Treppe des schwarzen
Turmes hinuntergetreten hatte. Aber nicht mehr als eine ohnmächtige
Wut erfüllte ihn. Vor dem Mädchen verbarg er sie, aber in
Wirklichkeit war Akureyn keineswegs eiskalt und so gelassen, wie er
zu sein vorgab.
»Du warst nicht... glücklich mit mir?«
Das Reittier spürte die Unruhe des Mannes, der im Sattel saß
und die Stoßzügel führte. Der lange, haarfein
auslaufende Schwanz der Rennechse zuckte, fuhr unablässig durch
die Luft und peitschte den Boden. Immer wieder veränderten die
dreieckigen Schuppen der Echse ihre Farbe. Es sah aus, als würden
Wellen über den langgestreckten Körper fahren. Der Hals und
der Kopf des Tieres rührten sich nicht.
»Ich weiß erst, seit ich Djosan kenne, was Glück
ist.«
»Liebst du ihn?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich will immer bei ihm sein.«
Drigene war groß und schlank. Ihre Haut hatte die Weichheit
von Quellwasser und die Farbe dunklen Sandes. Wenn Akureyn an das
Mädchen dachte, begann er zu zittern. Jetzt zitterte er vor Wut.
Die Sonne glänzte auf dem schulterlangen schwarzen Haar und
verwandelte es in ein Muster aus Linien und Wellen. Ihre Augen waren
groß und offen und sahen ihn voller Verständnis an, aber
der junge Mann entdeckte nur Abwehr und Mißtrauen. Seine Qual
wuchs, als er daran dachte, daß die Finger des älteren,
klügeren Mannes diesen Körper streichelten, daß
Djosan nicht nur den Körper, sondern auch den Geist und Verstand
Drigenes besaß.
»Gibt es eine Chance für mich?« fragte er und
dachte an seine Freunde, die jetzt für ihn mitarbeiteten.
»Ich weiß es nicht, Akureyn. Ich weiß nichts. Du
fragst mich immer wieder dieselben Sachen.«
»Was hat Djosan, was ich nicht habe? Er ist älter und
kalt.«
»Er hat etwas, das du nicht hast. Auch die anderen nicht. Es
ist unsichtbar, nicht zu schildern. Ich weiß es nicht. Ich kann
immer nur sagen, daß ich es nicht weiß. Warum reitest du
nicht weg und läßt mich allein?«
Sie schrie es fast. Seit einer Stunde standen sie hier am Fuß
des Hügels. Hinter ihnen, als wuchtige Barriere vor der
Sonnenhitze, ragte der schwarze Zylinder hoch. Weiße Wolken
wanderten über den blaßblauen Himmel. In den Gräsern
zirpten die Grillen. Akureyn war gekommen, um sie zurückzuholen.
Aber sie war doch freiwillig hier, angelockt von dem Funken, der in
Djosan glühte. Ihr Stamm hatte sie verdammt; es gab keine
Rückkehr, selbst wenn sie es gewollt hätte.
Sie wollte es nicht. Sie wollte hier bei Djosan bleiben und ihm
zuhören. Er strahlte die Art von Ruhe aus, die sie niemals
gesucht hatte, weil sie unbekannt gewesen war. Aberjetzt, als sie
diese Ruhe kannte, wollte sie nichts anderes mehr. Sie war Djosan
verfallen. Djosan wußte es und behandelte sie kühl - die
meiste Zeit. Aber hin und wieder begann er vor Leidenschaft zu rasen,
wenn sie in seiner Nähe war. Drigene befand sich in einem
Zustand äußerster Verwirrung, aber sie
wollte es nicht ändern. Sie schüttelte langsam und mit
Nachdruck ihren schmalen, rassigen Kopf.
»Ich reite deshalb nicht, weil ich möchte, daß du
mit mir kommst!« rief derjunge Mann. Sein Gesicht trug noch die
Spuren des Kampfes.
»Ich bleibe hier. Das weißt du«, sagte sie.
»Sieh mich an. Ich frage dich noch einmal. Was ist an Djosan
besser?«
»Du bist ein Junge. Du bist hübsch und stark. Du bist
auch nicht dumm«, sagte sie stockend. »Solange ich nur
dich gekannt habe, liebte ich dich. Aber alles, was du kannst, kann
Djosan etwas besser. Er ist eine Spur schneller, etwas älter,
aber viel klüger. Er weiß auch
dort eine Antwort, wo du keine mehr gewußt hast. Ich bin wie
Wachs in seinen Fingern. Ich kenne mich selbst nicht, Akureyn.«
Er war vierundzwanzig Jahre alt.
Der schnellste Arbeiter, der beste Echsenreiter, der Sohn der
reichsten Familie am Rand der tausend Dünen. Niemand war besser
als er - außer Djosan. Der Junge war sehr gutaussehend, mit
seinen Muskeln, seinem gebräunten Körper und dem offenen,
kantigen Gesicht, das von einem wilden Busch goldfarbener Haare
gekrönt wurde. Trotz aller Vorteile, die niemand bestritt, hatte
er den Kampf gegen Djosan verloren.
Er sah schweigend das Mädchen an.
Sie fürchtete sich nicht vor ihm. Sie stand völlig im
Bann des anderen Mannes mit dem kühnen Kopf eines Raubvogels.
Sie hatte alles vergessen, was hinter ihr lag. Nur die Gegenwart
zählte. Diese Gegenwart hieß Djosan Ahar und war
mindestens fünfundzwanzig Jahre älter als er. Und Ahar
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