PR TB 199 Die Parasiten
Eine
Kolonne der Kampfwagentruppen des Deltas donnerte in rasender
Schnelligkeit heran. Bald hörte ich das Keuchen der Zugpferde.
Ein Wagen, an dem eine funkelnde Standarte befestigt war, beschrieb
im Hof einen Halbkreis. Die Räder schleuderten Sandfontänen
hoch. Einige meiner Diener stürzten hinaus, und der Krieger
neben dem Pferdelenker grüßte zu mir herauf. Er schrie
voller Erregung: “Atlan-Aakener! Du bist unsere letzte Rettung.
Naa-mer-Ta wurde schwer verletzt. Sie bringen ihn. Wir stießen
auch auf den Boten, den Chayans Nachfolger schickte. Er kommt in
einem anderen Wagen. Schnell, Naamer hat
viel Blut verloren."
“Bringt ihn herein!" rief ich. Schlagartig wurde mir
bewußt, daß dies die erste wirklich große
Bewährungsprobe sein würde. Einen Parasiten zu entfernen,
war eine einfache Sache, ebenso das Aufschneiden einer Geschwulst
oder das Einrenken einer Schulter. Aber ein Schwerverletzter? Ich
rannte hinunter in den Behandlungsraum und versuchte mit zitternden
Fingern, die nötigen Instrumente und Mittel vorzubereiten. Schon
kamen sechs schweißgebadete Soldaten durch die Tür und
schleppten eine blutüberströmte, sandverkrustete Gestalt in
einer Decke mit sich. Eine breite Blutspur kennzeichnete ihren Weg
durch das Haus. Draußen wieherten grell die Pferde. Ich
musterte die Menge der Soldaten, die sich schlagartig an allen
Eingängen drängten. Mühsam zwang ich mich dazu, ruhig
zu fragen:
“Ist jemand unter euch, der mir helfen kann, ohne zu
zittern? Der Bote von Ptah-Sokar soll ins Haus gehen und sich
ausruhen. Ein oder zwei Gespanne können im anderen Hof warten,
der Rest soll zurück nach Auaris. Ich brauche Ruhe."
Vorsichtig hoben sie den Körper des gedrungenen,
breitschultrigen Mannes auf den Behandlungstisch. Ich sah mit dem
ersten Blick grausige Wunden und die zersplitterten Schäfte von
Pfeilen. Die Augen Naamers waren zugeschwollen.
Ein Mann schob sich durch die Wartenden.
“Ich verstehe etwas von einfachen Wunden, Arzt. Ich werde
dir helfen."
Ich deutete nach hinten.
“Geh ,und reinige dich, ziehe einen weißen Kittel an,
dann komm wieder zurück zu mir und deinem Herrn."
“Ich habe verstanden."
Einer der Unteranführer gab schnelle Befehle. Gespanne fuhren
rasselnd aus dem Hof hinaus. Die Soldaten verschwanden von den
Fenstern und aus den Türen. Ich ließ die dünnen
Vorhänge herunter, nahm den Zellaktivator ab und bettete ihn
zuerst einmal auf die Brust Naamers. Der Mann atmete tief und
regelmäßig; für mich war es ein gutes Zeichen. Heißes
Wasser war in meinem Haus fast immer bereit - wir entfernten
vorsichtig die zerrissene Kleidung und die Teile der Rüstung.
Dann begann der sechsstündige Alptraum.
Raafer, der wundenerfahrene Unteranführer, schilderte
zwischen den Eingriffen, daß die kleine Patrouille von Fremden
überfallen worden war, die ebenfalls über Streitwagen
verfügten. Der Angriff hatte Naamer-Ta überrascht. Wir
sägten Pfeilschäfte ab, schnitten steinerne und bronzene
Pfeilspitzen aus der Haut und den Muskeln, reinigten Wunden von Sand,
kleinen Steinen und Kleidungsfetzchen. Ich pinselte bakterientötende
Flüssigkeit, stach mit Nadeln und knöpfte Knoten, wischte
Blut ab und strich dick Salbe auf die Abschürfungen und die
kleinen Schnitte. Wir arbeiteten schweißgebadet, ignorierten
die Anfälle von Konzentrationsschwäche, und ganz nebenbei
sah ich, daß sich der Symbiont von der Herzgegend abzulösen
begann.
Der Parasit, schaltete sich vorsichtig der Extrasinn ein,
versucht, einen Sterbenden zu verlassen. Gib auf seine Bewegungen
acht!
Eine Dienerin kam herein und stellte überall brennende
Öllampen auf. Wir hatten nicht gemerkt, daß es dunkel
geworden war. Der Körper des Anführers war an zahllosen
Stellen mit Binden umwickelt. Ich hatte ihn zweimal lähmen
müssen, als ihn der Schmerz aus der Besinnungslosigkeit gerissen
hatte. Schweigend arbeiteten wir weiter. Jemand brachte uns etwas zu
trinken. Und schließlich, als der Parasit unter den entsetzten
Blicken Raafers von der Brust über die Schulter sich auf den Arm
davonmachen und auf meinen Handrücken gleiten wollte, ergriff
ich den Zellklumpen und trug ihn ins Feuer der Küche. Er wurde
von den Flammen und der weißen Glut vernichtet und versuchte
bis zur letzten Sekunde, wie besessen summend und sich krümmend,
zu entkommen. Ich wandte mich schaudernd ab. Der dritte Symbiont war
vernichtet.
Raafer hockte schlafend neben Naamer-Ta. Ich rüttelte ihn
wach, und wir gingen hinaus
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