PR TB 213 Weg in Die Unendlichkeit
Mamulian hatte Sandalen und Toga abgelegt. Er trug jetzt eine einfache Hose, ein Hemd und Turnschuhe. Er sah sich im Spiegel, lachte über seinen ehrwürdigen Kopf, der ohne Haare war, den schwarzen Kräuselbart, der sein Gesicht umrahmte und bis zum Brust
bein reichte. Er verglich ihn mit dem Bild, das auf dem Tisch unter dem Spiegel stand. Es war fast das gleiche Gesicht Kopf und Bart stimmten völlig überein. Nur seine Wangen wirkten nicht so fleischig wie die des Abbilds. Seine Augen waren offener und heller als die der Fotografie.
,,Ich darf dich nicht vergessen, Vater!" rief er aus. Er blickte erneut in den Spiegel, begann sich selbst zu hypnotisieren. Er sah seine Augen. Sie wurden trüb, flackernd, dunkle Ränder bildeten sich. Sein Haupthaar wurde voll, der Bart verschwand. Vor ihm stand ein junger Mann mit traurigem Blick und nervösem Zucken in den Mundwinkeln. Seine Gedanken jagten sich.
,,Bastard, Bastard!" hörte er die kreischenden Stimmen der Kinder. ,,Wo hast du denn deinen Vater? Zwerg, willst du auf die Nase fallen?"
Er stieß einen Schrei aus und rannte los. Er blieb am Tisch hängen, die Tischkante drückte schmerzhaft gegen seine Brust. Das Bild im Spiegel verblaßte. Er sah sich selbst, mit der von Schweiß bedeckten Glatze, die Augen angstvoll aufgerissen, die Lippen bebend.
,,Nein!" murmelte er schwach. ,,Nein. Erinnere mich nicht daran. Laß es mich vergessen, daß ich Hivar Goronkon bin. Bitte!"
Aber das Spiegelbild war unerbittlich. Die Erinnerung an seinen Vater schloß aus, daß er seine eigene Identität verdrängte. Langsam wich Roger Mamulian zurück und setzte sich auf den Rand eines Stuhles, wo er in dumpfes Grübeln verfiel. Wie lange war er schon auf Haretanni? Es mußten viele Jahre sein, Jahrzehnte. Ohne die unterirdische Anlage, die ohne Zweifel von den alten Arkoniden stammte, wäre er längst als Scharlatan entlarvt worden. Man hätte ihn verjagt. Nicht einmal die geringen telepathischen Fähigkeiten seines Vaters hatte er geerbt. So aber gelang es ihm, die Menschen mit immer neuen Tricks in seinen Bann zu schlagen. Sie verehrten ihn beinahe schon als Ihren Gott.
Der Große Meister wußte nicht, warum die Positronik der Anlage ihn anerkannte. Er ahnte nicht, daß sie ihn als hilfsbedürftigen Fremden einstufte und unterstützte, soweit ihr dabei kein Schaden erwuchs. Er hing seinen Plänen nach. Er hatte das Volk des Planeten für seine Pläne eingespannt. Er hatte es bis jetzt geführt, ohne daß es sich der Bevormundung bewußt war. Jetzt hatte er es gerufen.
Mamulian wußte inzwischen, daß er einen Fehler gemacht hatte. Er hatte vorgehabt, sich eines Tages auf die Seite eines mächtigen Gegners der Erde zu stellen, an seiner Seite einen Sieg für sein Volk und seine Rache zu erkämpfen. Allein war er zu schwach dazu. Jetzt, nach langem Warten, waren die Loower eingetroffen. Auf sie hatte er seine ganze Hoffnung gesetzt. An ihrer Seite wollte er in die Auseinandersetzung ziehen. Dann erzielten die Terraner eine Einigung mit den Fremden. Auf ihn wirkte das wie ein Schock. Er konnte die Fremden nun nicht mehr als Verbündete gewinnen. Er hatte zu früh gerufen. Das Warten begann.
Als die UFOs mit ihren Androiden auftauchten, glaubte er erneut daran, daß die Zeit gekommen war. Aber die UFOs verschwanden schnell wieder. Noch immer lagerte sein Volk vor der Stadt, wurde von der Robotanlage versorgt Die Menschen Haretannis warteten auf seine Rückkehr.
Monate vergingen, und Mamulian schlief und grübelte viel. Manchmal brachte es ihn an den Rand des Wahnsinns. Er fing sich mühsam und kehrte zurück, die Zukunft vorzubereiten. So eifrig war er damit beschäftigt, daß er die Nachricht fast übersehen hätte. Plötzlich überschwemmten. unvorstellbare Flottenfremder Keilschiffe die Milchstraße und bedrohten die Menschen in ihr. Und mit den Invasoren, die sich Orbiter nannten, gab es keine Einigung. Im Gegenteil forderten die Eindringlinge, daß alle Menschen die Milchstraße zu verlassen hätten. Roger Mamulian schaltete die Übertragung der Sendung ab, die die Robotanlage aufgefangen hatte. Er fuhr sich über die Stirn. Mit einemmal verspürte er Nervosität. Er wußte, daß nach langer Zeit seine Stunde gekommen war. Gegen die neue Gefahr gab es keine Abwehr. Die Menschheit stand ihr hilflos gegenüber. Sie war gezwungen, Sühne zu
leisten. Sie wurde aufgefordert, die Galaxis zu verlassen, für immer. Mamulian hatte eine Vision, die alles, was er sich bisher
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