PR TB 234 Tödliche Wahrscheinlichkeit
ausladendes
Tal zu erkennen, eine sanft in die Felsen geschmiegte Mulde mit einem
See in der Mitte, dessen Wasser im Mondlicht glitzerte. Deutlich zu
erkennen waren die Lichter der Feuer, mit denen sich die Marbaslahnis
nächtens wärmten.
»Möglicherweise sogar ihr Hauptsiedlungsort«,
sagte Nicole; sie war erschöpft, aber glücklich. In letzter
Stunde hatte diese Katastrophenexpedition noch eine ebenso
überraschende wie glückliche Wendung gefunden.
»Drachen!« stieß Jebediah Fox hervor. »Sie
kreisen über dem Tal.«
Schemenhaft nur waren die gewaltigen dunklen Leiber vor dem
Hintergrund des schwarzblauen Nachthimmels zu erkennen. Die Bewegung
vor allem verriet die Anwesenheit der Drachen.
Es gab deren mindestens ein Dutzend. In regelmäßigen
Kreisen schwebten sie in verschiedenen Höhen über der
Stadt, lautlos und bedrohlich. Noch immer war nicht bekannt, wie es
diese Kolosse überhaupt schafften, die ungeschlachten Leiber in
die Luft zu bekommen und dort stundenlang zu halten - denn für
eine dem Vogelflug entsprechende Fortbewegung waren die Leiber zu
klobig und die Flügel entschieden zu klein. Es war als
Arbeitshypothese behauptet worden, das Drachenfleisch sei unglaublich
leicht und luftig, aber dem widersprach die Fähigkeit der
Drachen, beachtlich schwere Reiter auf dem Rücken zu tragen.
»Jetzt können wir sie in aller Ruhe untersuchen«,
sagte Nicole zufrieden. »Aus Poshnam können wir Material
nachfordern, und in ein paar Tagen werden wir den ganzen Ärger
der ersten Zeit vergessen haben.«
»Vorausgesetzt, wir kommen dort an und sind willkommen«,
warf Ayke ein. »Wollen wir heute noch ins Tal hinabsteigen?«
»Mir ist nach warmem Herdfeuer zumute«, gab Nicole
bekannt. »Ich bin bereit, den Abstieg zu wagen.«
Eine kurze Abstimmung ergab, daß alle sieben das Risiko
nicht sehr hoch
veranschlagten. Ein paar seltsame Blicke faßte Nicole als
stillschweigenden Auftrag auf, im Zweifelsfall wieder irgendwelche
seltsamen Zufälle zu arrangieren - die Tatsache ärgerte sie
sehr, aber sie konnte die inneren Vorbehalte ihrer Gefährten
verstehen. Es ging wirklich nicht mit rechten Dingen zu auf Ceryani.
Im Dunkeln ließ sich ein Weg nur mühsam finden. Ein
paar Male landete eines der Expeditionsmitglieder recht unsanft auf
dem felssplitterübersäten Boden, aber nach zwei Stunden war
der Boden des Tales erreicht, und wenig später konnte Nicole im
Mondlicht ein sorgsam bestelltes Feld erkennen und daneben einen Weg.
Sie schritt voran, auf die Häuser der Marbaslahnis zu. Es
waren hölzerne Konstruktionen, aus dicken Balken gezimmert; die
Zwischenräume dieses Fachwerks waren mit sorgsam behauenen
Felstrümmern ausgefüllt worden. Die meisten Häuser
besaßen nur zwei Stockwerke, waren aber breit ausladend und
offenbar sehr geräumig. Früher, vor dem Eintreffen der
Terraner, hatten die Marbaslahnis die Fensteröffnungen mit dünn
geschabter Drachenhaut bedeckt, durch die ein Dämmerlicht in die
Stuben fallen konnte. Daß es dort jetzt gläserne Fenster
gab, war ein Zugeständnis an die Technik der Terraner. Zu
weiteren Anpassungen hatten sich die Marbaslahnis allerdings nicht
hinreißen lassen.
»Psst!« machte Nicole.
Es gab knapp fünfzig Häuser in dem Ort, soweit Nicole
ihn hatte überschauen können. Zwischen den Gebäuden
gab es einen großen freien Platz, und es hörte sich danach
an, als hätte sich dort die gesamte Einwohnerschaft versammelt.
Eine günstige Gelegenheit, etwas mehr über Sitten und
Gebräuche der Marbaslahnis in Erfahrung zu bringen.
Nicole wollte sich näher heranschleichen.
Vor Schreck kam sie nicht einmal dazu, einen Schrei auszustoßen.
Sie spürte nur plötzlich, daß sie am Rücken von
scharfen Krallen angefaßt und ruckhaft in die Luft gehoben
wurde. Zum Glück hielt die nahezu reißfeste Kleidung.
Nicole sah, wie der Boden unter ihr wegzusacken schien, und als
sie mühsam den Kopf hob, erkannte sie über sich den
riesigen Körper eines Drachen, der sie in seinen Klauen hielt.
Das klobige Tier schleppte Nicole durch die Luft, genau auf jenen
freien Platz zu, auf dem eine Gruppe kleiner Feuer loderte.
Offenbar dienten die Drachen den Marbaslahnis auch als eine Art
Polizei; Nicole fühlte sich jedenfalls sehr beschämt, als
sie von dem Drachen mitten zwischen den knisternden Feuern abgesetzt
wurde. Der Drache breitete nach getaner Arbeit die Flügel aus
und stieg wieder in die Höhe. Wenige Augenblicke später
kamen andere Drachen herangeflattert und
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