PR Tefroder 01 - Das genetische Siegel
lieben alte Bräuche.« Er lachte, gesund und dröhnend.
Rhodan öffnete die Weste wie im Traum und führte, als müsste er dort eine Tasche finden, den Brief an die nackte Brust. Tatsächlich fügte sich ihm der Brief an die Haut, fühlte sich selbst wie Haut an. Rhodan versuchte ihn wieder zu lösen, und es gelang mühelos. Es gelang, aber es war nicht angenehm. Es war bei weitem angenehmer, den Brief zu spüren. Wie eine sanfte Berührung, warm und voller Zuversicht.
»Was ist das?«, fragte er. »Was ist das, sag mir das, oder ich entferne den Brief so bald wie möglich. Ich vernichte ihn, restlos.«
»Nein, das wirst du nicht«, sagte der Mann. »Es ist ein Permanenter Brief. Es gibt nicht viele davon.«
»Ein Talisman«, riet Rhodan. »Ein Glücksbringer.«
Der Mann lachte.
Die beiden Myrmidoninnen hatten sich einige Millimeter weiter in das Schweigen zwischen ihnen vorgearbeitet.
»Bekomme ich auch etwas?«, fragte Caadil.
»Du?«, fragte der Schrat zurück. Er schien zu überlegen. »Behalt den Stab.« Er winkte den beiden zu und wandte sich ab, durchschritt den Raum und war kurz darauf verschwunden.
Auma Taccomi und Kalakujen traten an ihren Tisch und schauten sich verwundert um. »Entschuldigt«, sagte die Oxtornerin, »aber ich dachte, ich hätte jemanden bei euch am Tisch stehen gesehen. Einen Mann. Sehe ich Gespenster?«
»Ich weiß nicht. Sag du es mir«, bat Rhodan.
Die Ferronin wies auf den Wanderstab, den Caadil in der Hand hielt. »Woher hast du das?«
»Es ist ein Geschenk«, sagte die Vortex-Pilotin.
»Von wem?«
»Von einem unbekannten Verehrer.«
Rhodan seufzte. Er und Caadil schienen eine stumme Übereinkunft getroffen zu haben, die beiden Myrmidoninnen nicht in das Geschehen einzuweihen.
Zurück an Bord der FARYDOON überlegte er, ob er den Brief mit Bordmitteln untersuchen lassen sollte. Wozu? Er würde bald zurück auf Terra sein, und dort standen ihm ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung. Sein Instinkt sagte ihm überdies, dass keine Gefahr von diesem Brief ausging.
Und als sich Caadil, die ihm versprochen hatte, den Wanderstab einer sicherheitstechnischen Überprüfung zu unterziehen, nicht mehr meldete, war er sicher, dass auch dieser Stecken nichts und niemanden bedrohte.
Merkwürdiger Abend, dachte er. Merkwürdige Welt.
Dann schlief er ein und träumte: von zwei blassroten Sonnen, die tiefer und tiefer in den Leerraum sanken, außer Reichweite der Zeit; von einigen Fantan-Leuten, die ein Märchenschloss im ewigen Eis von Khordaad bauten; von einem Berg, so hoch, dass sein Gipfel in den Orbit reichte, in die Dämmerzone des Vortex, und noch darüber hinaus. Er sah Caadil, die ihm mit dem Wanderstab in der Hand in Richtung Felsengipfel vorauseilte.
Was willst du dort?, rief er ihr nach.
Er hörte sie lachen, er hörte, dass sie ihm antwortete, aber er verstand nicht, was sie sagte.
Warte, rief er ihr nach, warte! Er musste sich beeilen, denn sie stieg sehr schnell.
Dann verwirrte sich der Traum vollends.
Am nächsten Morgen freute er sich auf den Rückflug und die Aussicht, nach Terra zurückkehren zu können. Der kleine Ausflug hatte sich gelohnt und bot eine aufregende Zukunftsperspektive, doch zu Hause galt es, viele Dinge ins rechte Lot zu rücken. Die Belagerung durch die Terminale Kolonne TRAITOR lag zwar schon über einhundert Jahre zurück, aber noch immer gab es düstere Schatten, die die schreckliche Besatzungszeit hinterlassen hatte.
Alles verlief geradezu perfekt...
... bis exakt eine Stunde nach dem erneuten Aufbruch der FARYDOON und dem Wechsel in den Vortex die Navigatorin für den Rückflug, Mitraa Morvaarid amya Keyvaan, aufschrie.
Sie zuckte in ihrem Pilotensitz in der gläsernen Gondel. Das Irrlichtern der Vortex-Augen verstärkte sich, bis es schien, als gingen grelle Strahlen von ihnen aus. Sie glühten weiß. Das Schreien der Navigatorin steigerte sich zu einem schmerzerfüllten Brüllen.
Längst starrte Rhodan auf das Hologramm in der Schiffszentrale, das wie während des Hinflugs den Blick in die Gondel ermöglichte.
Längst rannte der zweite Navigator Saatin Sepehr zum Schott, das den Zugang zur Gondel ermöglichte.
Längst breitete sich in der Zentrale entsetztes Schweigen aus.
Eine Funkmeldung von Bord des Myrmidonenschiffs CANNAE ging ein. Adlai Kefauver klang aufgeregt, doch kein Wort war zu verstehen. Es knisterte und knackte.
Vor den normalen Augen der Navigatorin kräuselte Dampf und zerfaserte. Die Vortex-Augen
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