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PR2617-Der dunkelste aller Tage

PR2617-Der dunkelste aller Tage

Titel: PR2617-Der dunkelste aller Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Schwerkraft die Planeten auf ihren Bahnen hielt.
     
    *
     
    »Jupiter sehen und sterben ...«
    Toja Zanabazar wandte den Blick nicht von den Hologalerien. »Ich bin nie über den Mars hinausgekommen, und der Spruch mit Jupiter war für mich nur lächerlich. Allmählich verstehe ich, was uns Menschen immer weiter hinaustreibt.«
    »Weit?« Schief lächelnd schüttelte Flint Surtland den Kopf. »Du musst erst einmal wirklich weit hinauskommen. Der Weltraum wird dich nicht mehr loslassen.«
    Seit das Schiff den Asteroidengürtel überwunden hatte, steuerte Surtland die LADY LAVERNA selbst. Toja beobachtete ihn. Er spielte mit den Schaltflächen so gefühlvoll wie ein Virtuose auf der Klaviatur seiner Instrumente. Man musste ihn schon näher kennen, um den Menschen hinter seiner Maske zu entdecken. Die Robotikerin hatte bereits angefangen, ihre anfängliche Meinung über ihn zu revidieren. Der Graue Graf suchte sich seine Mitarbeiter offenbar sehr viel genauer aus, als es für Toja zunächst den Anschein gehabt hatte.
    »Wir gehen bald in einen weiten Orbit um Jupiter, eigentlich sehr weit«, sagte der Plophoser nach einigen Minuten beharrlichen Schweigens.
    »Ganymed«, stand auf der Karte für dich, entsann sich Zanabazar. »Sag mir nicht, dass wirklich der Mond gemeint ist. Ganymed wurde vernichtet.«
    »Richtig«, bestätigte der Plophoser. »Am 14. Januar vor acht Jahren. Muss einen beachtlichen Rums gegeben haben. Ich weiß das nur vom Hörensagen, war damals ziemlich weit von Sol weg. Aber eigentlich suchen wir nicht Ganymed, sondern Galileo City. Dass die Megametropole überhaupt noch existiert, verdanken die Ganymedaner dem damaligen Residenten – er hat die Stadt vor der Vernichtung bewahrt.«
    »Bekannt«, unterbrach Zanabazar. »Was mich interessiert ...«
    »Warte!« Surtland ließ einige neue Schaltflächen entstehen. Blitzschnell nacheinander wechselten sie ihr Aussehen, bis der Plophoser mit einer knappen Bewegung alle offenen Holos implodieren ließ.
    »Galileo City befindet sich in einem deutlichen Schrumpfungsprozess«, sagte eine Kunststimme. »Seit der Katastrophe erlebt die Stadt einen permanenten Exodus. Allerdings leben immer noch über elf Millionen Bewohner in dem Provisorium, überwiegend auf Ganymed geborene Menschen, aber auch viele ursprüngliche Galaktiker, die nicht daran denken, ihre Heimat zu verlassen. Eine stetig wachsende Zahl Ganymedaner ist in den Rekonstruktionsprozess des Mondes eingebunden, der mit fortschreitendem Wachstum einen unglaublichen Bedarf an koordinierenden Arbeitskräften entwickelt. Seit Ende des Jahres 1461 betreibt das Syndikat Synkopha die Rekonstruktion des Mondes. Aber erst vier Jahre später konnte die Realisierungsphase tatsächlich anlaufen.«
    »Das ist es nicht, was ich hören wollte«, wandte die Robotikerin ein. »Der Adressat des zweiten Briefes ...«
    »EG.« Surtland lachte leise. »Enoch Godolphin. Der Mann ist Terraner und seit Herbst letzten Jahres Leitender Senator des Synkopha, des Syndikats zur Konstruktion planetarer Habitate. Ein ungewöhnlicher Name, aber die Abkürzung klingt wenigstens gut.«
    »Ich habe die Karte gelesen, aber außer Ganymed keinen Hinweis auf den Empfänger gefunden.«
    »Nein? Ich hatte fast erwartet, dass du vor mir auf den Namen kommst. Der Graue Graf liebt Andeutungen und Geheimnisse. Ganz schnell offensichtlich war es auch für mich nicht, trotzdem ist es eindeutig. Godolphin ist unser Mann. Ich denke, Toja, du gehst zu ihm.«
    »Davon hat der Graf nichts gesagt.«
    »Er hat es mir aufgeschrieben. Willst du die Übersetzung – oder fühlst du dich als logisch denkende Robotikerin in deiner Ehre gekränkt?«
    »Beides nicht, solange der Graf damit zu tun hat«, antwortete Toja Zanabazar.
     
    *
     
    »Imposant«, murmelte Toja Zanabazar. Aber das gab nicht einmal annähernd den atemberaubenden Eindruck wieder, den sie beim Anblick der gigantischen Schale hatte.
    Ein filigranes Kunstwerk ... So hing das Gebilde in der Schwärze des Alls und wanderte langsam vor die wirbelnden Wolkenbänder des Gasplaneten.
    Es war ein Schöpfungsakt, die Optimierung des Natürlichen durch menschlichen Tatendrang. Zugleich das, was Toja Zanabazar unter gelebter Zukunft verstand, nämlich das Ausloten konstruktiver und technischer Möglichkeiten. Nicht der Grenzen. Grenzen waren dafür da, dass sie immer weiter in Richtung des Gerade-noch-Machbaren verschoben wurden. Und darüber hinaus.
    »Das ist die Baustelle«, sagte Surtland

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