Pralinenherz
die so winzig erschienen wie Spielzeug. Lauschte dabei nur mit halbem Ohr der Durchsage des Piloten, der etwas über das Wetter in Berlin erzählte.
Das war doch armselig!
War es überhaupt die richtige Entscheidung gewesen, nach Berlin zu ziehen? Hanna war sich da nicht mehr so sicher …
Kapitel 3
Mein Leben? Ein Scherbenhaufen!
Olivers 35. Geburtstag wollte sie nicht mit trüben Gedanken beginnen, sondern ihn gebührend feiern. Seine Eltern, die sie liebevoll „Schwiegerdrachen in spe“ nannte, lebten ebenfalls in Berlin und wollten sich um Punkt 16 Uhr im Foyer seiner Wohnung einfinden. Es war natürlich nie die Rede von ihrer gemeinsamen Wohnung. Hanna war in ihren Augen eine lästige Untermieterin auf Zeit und sie versuchte nach endlosen Diskussionen nicht mehr, ihre Position zu verteidigen.
Zu Anfang ihrer Beziehung hatte Hanna ja den Verdacht gehabt, dass Frau Behlitz und besagte Schwiegerdrachen miteinander verwandt sein müssten, zumindest Olivers Mutter.
Sie war bösartig, gehässig und herablassend, würdigte Hanna keines freundlichen Tones und strafte sie ein jedes Mal mit erniedrigenden Blicken. Ihr Mann, mit dem sie seit über 40 Jahren verheiratet war, lebte das Leben des ewigen Ja-Sagers, gehorchte brav wie ein kastriertes Schoßhündchen, das nach bereitwilligem Kunststückchen-Vorführen einen abgenagten Knochen zugeworfen bekam. Er antwortete seiner Frau mit imaginärem Schwanzwedeln und erschauderte ein jedes Mal bei ihrem rauen Ton, sodass es Hanna eiskalt den Rücken herunterlief.
Die von Birkenhausens waren eine angesehene Familie in Berlin, genossen Einladungen und vergnügten sich auf der Rennbahn, erkauften sich Einladungskarten auf Galaveranstaltungen mit beliebter A-Prominenz und leugneten zu keiner Zeit ihren Reichtum. Frau von Birkenhausen führte dabei stets die neuesten Kostümchen und Edelsteine aus, zum Leidwesen ihres Mannes, der sich dafür das ein oder andere Auto verkneifen musste, das er seiner Sammlung ach so gerne hinzugefügt hätte.
Hanna interessierte so etwas nicht. Ihr Wunsch war es eigentlich, eine liebe Schwiegermutter zu haben, die ihr Fotos von Oliver zeigen würde, als Baby, nackt auf einem Bärenfell, vor einem Kamin. Das erste Mal auf seinem Nachttöpfchen. Beim Fußballspielen. Eine Frau, die sie an ihre Mutter erinnerte, warmherzig und liebevoll. Aber nein, sie bekam eine Frau, Marke nässendes Ekzem, das sich tief in ihre Haut fraß und auch mit der besten Medizin nicht wegzubekommen war.
In den drei Jahren, die sie Oliver nun kannte, hatte sie sich mit dieser Situation arrangiert, duldete ihr anstrengendes Verhalten und schluckte jedes Wort, jede Geste und jede Mimik dieser Frau.
Oliver selbst sah das natürlich nicht so, verteidigte dieses Biest von Frau, als wäre er Ödipus persönlich. Das waren die Momente, in denen Hanna am liebsten gleich nach Köln zurückfahren wollte, doch sie liebte diesen Mann einfach, der sie ansonsten glücklich machte. Eigentlich.
Ja, Oliver liebte sie, so wie Hanna nun mal war, also verzieh sie ihm seinen Mutterkomplex. Schließlich beruht eine gute Beziehung auf Kompromissen. Und Frau von Birkenhausen war ihr Kompromiss.
Hanna war noch im Flughafen in Berlin, als sie die verschiedenen SMS erhielt, dass sich nun jeder auf den Weg machte. Neben seinen Eltern kamen natürlich auch seine besten Freunde, deren Freundinnen und Arbeitskollegen.
Sechszehn Leute wollten heute bespaßt werden und Hanna überlegte kurz, ob sie sich nicht einfach ein Clownskostüm überwerfen sollte, um ihrer Rolle gerecht zu werden.
Abgesehen von seinen Eltern, kannte sie die anderen kaum. Oliver traf sich nur selten mit ihnen in der Wohnung, und wenn, dann holten sie ihn nur ab. Die wenigen Male, die sie gemeinsam unterwegs gewesen waren, hatte Hanna in keiner guten Erinnerung. Seine Freunde und Arbeitskollegen waren allesamt groß, gutaussehend und mit einer süßen Blondine verbandelt, die mehr Schönheitsoperationen vorweisen konnten als Schuljahre. Und mittendrin Hanna. Sie passte da einfach nicht rein und war froh, dass so ein Mann wie Oliver sie überhaupt liebte, sie begehrte und ihr dies mit Geschenken und Gesten auch zeigte.
Es schauderte Hanna ein jedes Mal, wenn sie zurück an ihren Ex-Freund dachte. Da nahm sie Olivers Eltern und seine Freunde gerne in Kauf. Sie waren nichts gegen Andreas. Alleine bei dem Gedanken an sein Gesicht griff sie sich an den Hals und musste schlucken.
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