Pralinenherz
„Habe ich ja auch gar nicht vor. Aber ich möchte ihr wenigstens die Mappe zurück geben. Das sind alles Originalskizzen und sie sind mit viel Liebe zum Detail gezeichnet.“ Es klingelte und Frau Behlitz ging abgehetzt ans Telefon.
„Galerie Behlitz?!“, keuchte sie, da sie zum Telefon hatte eilen müssen.
„Hallo Frau Behlitz, Finn Wolf hier. Schön dass ich Sie erreiche. Ist Ihre Angestellte Hanna vielleicht zu sprechen?“ Er verdrehte genervt seine Augen und hoffte, diese unangenehme Person bald wieder los zu sein.
„Diese unzuverlässige … ich spreche es lieber nicht aus! Sie hat sich einfach krank gemeldet, bis Dienstag! Dabei wäre das ihr letzter Arbeitstag gewesen! Glaubt man so was? Unverschämtheit! Ich muss jetzt alles alleine machen hier, dabei fängt die Neue erst am Mittwoch an!“, fauchte sie ins Telefon, so dass Finn seinen Hörer von seinem Ohr nehmen musste, so sehr erschrak er sich.
„Oh, das tut mir sehr leid. Haben Sie vielleicht eine Handynummer für mich, so dass ich sie an...“
„Nein! Und wenn Sie noch etwas brauchen, bitte per E-Mail, ich habe jetzt gar keine Zeit, mich … ja, ich komme ja schon!“, rief sie und legte einfach auf.
Finn schaute irritiert auf das Display seines Telefons und dann zu Frederick, der lachend den Kopf schüttelte.
„Sie wird von Mal zu Mal seltsamer. Ich glaube, wir kündigen das Arbeitsverhältnis mit ihr. Soviel bringt uns ihre Webseite und die Flyergestaltung sowieso nicht ein, da haben wir bessere Auftraggeber.“ Finn hielt noch immer Hannas Visitenkarte mit der Telefonnummer in der Hand, unter der er sie nicht erreichen konnte.
„Und an die geht sie nicht ran?“, fragte Frederick, der nun um Finns Schreibtisch geschlichen kam, schließlich war er auch neugierig, welche heiße Schönheit seinem Kumpel den Kopf verdreht hatte.
„Nein, da geht niemand ans Telefon. Ich will sie ja auch nicht belästigen und eine E-Mail will ich nicht schreiben.“
„Da du ihre Stimme hören willst? Alter Romantiker!“ Frederick nahm ihre Visitenkarte an sich und gab ihren Namen in einer Suchmaschine ein, stöberte bei den Bildern.
„Welche ist es denn?“
„Hier, sie ist es. Hanna Berger ...“ Finn seufzte und knabberte seinen Kugelschreiber an, den er nervös hin und her drehte.
„Sie ist … totaler Durchschnitt. Oder ist das nur ein schlechtes Foto?“
Finn entriss ihm die Maus und schloss das Fenster mit den Bildern.
„Genug jetzt, wenn ich deinen Rat brauche, rufe ich dich. Solltest du nicht arbeiten?“ Er grinste seinen Angestellten an, der verlegen lächelte und sich zurück in sein Büro trollte.
Ein enttäuschter Seufzer hallte durch Finns Büro, als er sich dazu entschloss, es am Montag noch einmal zu versuchen. Oder Sonntag. Vielleicht auch heute Abend.
Frederick stand auf und schloss die Tür, da ihm das erneute quietschende Geräusch von Finns Bürostuhl auf die Nerven ging. Immer wenn Finn nachdachte, drehte er sich mit seinem Bürostuhl, weswegen dieser bereits ausgeleiert war.
Hanna jauchzte auf, als sie von der Autobahn fuhr und bei jedem Schild, auf dem „Köln“ stand, musste sie sich zurückhalten, nicht zu hupen.
Hier war alles anders. Die Luft. Die Autofahrer. Selbst der Himmel schien eine andere Farbe zu haben. In den vergangenen 14 Monaten war sie nur zwei Mal hier gewesen, jedes Mal zum Flughafen Köln/Bonn geflogen und von dort aus mit der Bahn nach Köln gefahren. Doch jetzt tatsächlich hier zu sein, zurück in ihrer Heimat, das war ein unbeschreiblich schönes Gefühl.
Nie wieder musste sie Frau Behlitz ertragen, nie wieder Olivers Eltern und nie wieder würde sie in den Armen des Mannes liegen, der sie betrog!
Es war kurz nach 13 Uhr, als sie vor dem Pralinengeschäft ihrer Eltern hielt. Das „Pralinenhaus“ war in einer belebten Seitengasse und hatte fünf Kundenparkplätze. Hanna griff sich ihre Tasche und setzte die Sonnenbrille ab, bestaunte das Geschäft, das sie schon solange nicht mehr gesehen hatte.
Als sie die zwei Stufen hinaufging und die Glastür öffnete, strömte ihr ein angenehmer Schokoladenduft entgegen, den sie sofort einsog.
„Hanna?!“ Ihre Mutter Elke erschrak und ließ beinahe einen Karton fallen, den sie gerade von einem Postboten bekommen hatte.
„Mama!“ Freudig lief sie ihrer Mutter entgegen und umarmte sie herzlich.
„Schatz! Was machst du denn hier? Das ist ja eine Überraschung! Volker! Volker! Hanna ist da!“, rief sie und drückte Hanna an sich,
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