Pretty Daemon
ich, diesmal, ohne einen Gesichtsmuskel zu verziehen. »Hast du schon den Wagen mit den Nachspeisen gesehen?«
»Verstehe«, sagte er. Die goldenen Sprenkel in seinen Augen schimmerten im Kerzenlicht. Ich sah auf einmal ein Bild vor mir – ein Wahlplakat mit Stuart. Seine Augen strahlten, während seine klassisch geschnittene Kinnpartie und seine früher einmal gebrochene Nase ihm einen etwas rauen, ehrlichen Anstrich verliehen.
In diesem Moment wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass er die Wahl gewinnen würde. Wie könnte es auch anders sein? Er war brillant, entschlossen und sah noch dazu höchst attraktiv aus. Perfekt für das Fernsehen.
»Was ist los?«, fragte er, während er sich etwas Butter auf ein Stück Baguette schmierte.
»Ich habe mir nur gerade überlegt, wie glücklich ich mich schätzen kann.«
»Kannst du das?«
Ich blinzelte, da mich sein Tonfall überraschte. Plötzlich war die romantische Stimmung verflogen, ohne dass mir aufgefallen wäre, wann sich Stuarts Laune geändert hatte. Er neckte mich nicht mehr, sondern wirkte auf einmal ernst und fast beunruhigt.
»Natürlich«, versicherte ich ihm, legte mein Stück Brot beiseite und fasste nach seiner Hand. »Was glaubst du denn, Liebling?«
»In letzter Zeit…« Er brach ab und zuckte mit den Schultern. »Ach, nicht so wichtig.«
»Einen Moment. Natürlich ist das wichtig. Was wolltest du sagen?« Ich spürte einen Kloß im Hals. Mit einem Mal hatte ich schreckliche Angst, dass meine Welt in sich zusammenstürzen könnte.
»Wir sind in letzter Zeit beide sehr beschäftigt gewesen«, meinte er. »Ich möchte nicht, dass wir so sehr in unsere getrennten Welten abtauchen. Wir dürfen nicht vergessen, auch immer wieder zusammenzufinden.«
»Das denke ich auch«, beteuerte ich. Mein Schuldgefühl wog sekündlich schwerer. Es stimmte. Stuart war zwar in den letzten Wochen und Monaten sehr mit seinem Wahlkampf beschäftigt gewesen, aber ich wusste, dass er diesmal etwas anderes meinte. Er spürte eine Distanz zwischen uns, die nichts damit zu tun hatte. Er spürte, dass ich ihm etwas verheimlichte. Es war meine Schuld, und ich wusste, dass ich ihm die Wahrheit nicht länger vorenthalten konnte. Je länger ich wartete, desto schwerer wurde es und desto weniger gab es einen plausiblen Grund, warum ich ihm nicht schon viel früher davon erzählt hatte.
Ich unterdrückte einen Seufzer, hob das Glas und trank den restlichen Champagner in einem Zug aus.
Stuart schenkte mir ein schiefes Lächeln. »Durstig?«
»Ich genieße das Prickeln«, sagte ich. »Champagner hat noch nie geschadet.«
Ein paar Tische von uns entfernt nahm die schwarzhaarige ältere Dame ihre Handtasche und stand auf. Die Augen hielt sie noch immer auf mich gerichtet.
Ich holte tief Luft. »Stuart, es gibt da etwas…«
»Sie«, sagte die Frau, die auf einmal neben mir stand und mit einem knochigen Finger auf mich zeigte. »Das dachte ich mir doch.«
Sie nickte. Ihre schwarzen Knopfaugen fixierten zuerst mich und dann meinen Mann. Schließlich schob sie ihre Hand in ihre Tasche, kramte dort etwas herum und verkündete: »Ich muss jetzt gehen.« Sie wandte sich ab, ohne auf eine Antwort zu warten.
»Wow«, murmelte Stuart, dessen Miene sowohl Belustigung als auch Verwirrung ausdrückte. »Sie scheint dich ja recht gut zu kennen.«
»Ich glaube, ich muss mich mal kurz zurückziehen. Ich will versuchen, mich daran zu erinnern, wo ich sie schon einmal gesehen habe«, erwiderte ich und stand auf, um mitsamt meiner Handtasche zur Toilette zu gehen.
»Beeil dich aber, Schatz«, sagte er. »Ich plane nämlich, dich betrunken und willenlos zu machen, und das kann ich nicht, wenn du dich in der Damentoilette versteckst.«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Das ist also dein Plan? Dann werde ich mich beeilen.« Ich warf ihm eine Kusshand zu und ging zu den Toiletten.
Ich war bereits einmal zuvor im Emeralds gewesen und konnte mich noch gut daran erinnern, dass die Damentoilette eine Art Schrein der Weiblichkeit darstellte. Das Restaurant war im viktorianischen Stil gehalten, und die Damentoilette war erweitert worden, indem man eine Wand eingerissen und neben der bereits existierenden Toilette eine Art von Aufenthaltsraum konzipiert hatte, von dem aus man auf den Garten des Restaurants und den dahinter liegenden Strand blicken konnte.
In dieser Art Salon standen Sessel und kleine Sofas. Außerdem waren überall Toilettenartikel verteilt. Falls man seine Wimperntusche, sein
Weitere Kostenlose Bücher