Pretty Daemon
sondern Sonntag war. Diese Erkenntnis hatte wie eine kalte Dusche gewirkt. Ich schaffte es, meinen ziemlich matten Körper und noch erschöpfteren Kopf aus dem Bett zu hieven und die Familie für den Kirchenbesuch zusammenzutrommeln. Inzwischen fühlte sich mein armer, misshandelter Schädel so an, als ob er jeden Augenblick platzen wollte. Das aufgeweckte Temperament meines Sohns half dabei auch nicht.
»Mami, schau! Schau, was ich mache!«
Er strich mir mit seinem Palmblatt über die Wange. Da ich keine andere Wahl hatte, öffnete ich die Augen.
»Sehr schön. Aber jetzt sei still.«
Normalerweise ist der Sonntagsgottesdienst für mich sehr entspannend. St. Mary gehört zu den wenigen katholischen Kirchen, die für die Kleinen eine Spielgruppe anbieten. Doch während der Karwoche war diese geschlossen. Ich verstand, ehrlich gesagt, nicht, warum, da die kleinen Quälgeister daran gewöhnt waren, dass man jeden Sonntag eine Stunde lang mit ihnen spielte und Lieder sang. Sie mussten normalerweise nie stillsitzen und der Messe lauschen oder zusehen, wie ihre Eltern und die restliche Gemeinde beteten.
An diesem Sonntag saß Timmy jedoch zwischen Allie und mir. Er hatte sich bisher überraschend gut benommen, was vor allem wohl daran lag, dass ich für ihn eine kleine Tasche voller Überraschungen mitgebracht hatte. Knetgummi, Wachsmalkreiden, ein Malbuch, ein Bilderbuch über Gottesdienste und zwei weniger fromme Bilderbücher über Blau und Schlau und über Dora. Außerdem hatte ich auch nicht vergessen, zwei Päckchen Käsekräcker einzupacken.
Wenn man bedachte, dass die Messe mindestens noch zehn Minuten dauern sollte, war klar, dass ich nicht genug Ablenkungsmaterial mitgebracht hatte.
Timmy riss an meinem Rock. »Ich will gehen, Mami. Bitte! Ich will weg!«
In diesem Moment hatte auch ich keinen anderen Wunsch, als endlich die Kirche verlassen zu können.
Stuart beugte sich nach vorn und bat seinen Sohn, still zu sein – als ob ich nicht schon mindestens siebenundvierzig Mal dasselbe versucht hätte. Ich unterdrückte das Verlangen, ihm einen genervten Blick zuzuwerfen.
Stattdessen wühlte ich in meiner Handtasche, bis ich meinen kleinen Taschenspiegel fand. »Bald«, flüsterte ich und drückte Timmy den Spiegel in die Hand. »In der Zwischenzeit kannst du damit spielen.« Falls ich Glück hatte, würde er so lange mit dem Spiegel beschäftigt sein, bis es Zeit zur Kommunion war und er gemeinsam mit uns nach vorn zum Altar spazieren durfte.
Meine Kalkulation ging auf. Der Spiegel verlor seine Faszination erst, als unsere Bank zur Kommunion nach vorn gebeten wurde. Doch auch dieser Gang war offenbar nicht so spannend, als dass Timmy nicht noch das Schlussgebet des Bischofs dafür genutzt hätte, auf der Kniebank zu sitzen und so zu tun, als ob er das Gesangbuch durchlesen würde, wobei er so heftig und laut umblätterte, dass ich schon befürchtete, er würde die Seiten herausreißen. Allies schrilles Geflüster und ihr Flehen, er möge endlich damit aufhören, waren auch nicht gerade sehr hilfreich.
Ich selbst hatte mich zu diesem Zeitpunkt dazu durchgerungen, ein Auge zuzudrücken. Ein zerfetztes Gesangbuch konnte ersetzt werden. Zumindest jammerte der Kleine jetzt nicht mehr.
Sobald die Messe vorüber war, gab ich Timmy einen sanften Schubs, und er folgte Stuart zufrieden aus der Kirche.
»Eine wunderbare Messe«, sagte Stuart, schüttelte dem Bischof, der am Kirchentor stand und die Gemeinde verabschiedete, die Hand und trat dann auf den Kirchplatz hinaus, um sich dort unter die Leute zu mischen. Je näher die Vorwahlen rückten, desto häufiger versuchte er, mit seinen Wählern zu plaudern.
»Kate«, sagte der Bischof, als er mich sah. »Es freut mich, Sie begrüßen zu dürfen. Und dich natürlich auch«, fügte er hinzu und zerzauste liebevoll Timmys Haare.
»Ich will in den Park«, verkündete dieser und zeigte in Richtung Osten. Von hier aus sah man nur den Parkplatz der Kathedrale. Doch dahinter führte ein kleiner Weg einen Hügel bis zu einem etwas vernachlässigten Spielplatz hinunter. Dieser gehörte zwar nicht zur Kirche, aber irgendwoher kannten ihn die Kinder der Gemeinde und wollten nach der Messe stets dort spielen.
Der Bischof lachte. »Das musst du mit deiner Mutter ausmachen, mein Junge.«
»Ist der Spielplatz denn wieder offen?«, erkundigte ich mich. Wir gingen nicht oft dorthin, doch manchmal ließ Timmy nicht locker und wollte, statt in der Nähe der Kathedrale zu
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