Pretty Daemon
Normalerweise kam ich vor der Kirche nicht ins Wanken. Aber bei einem solchen Kuss war es schwer, aufrecht stehen zu bleiben. »Wir sehen uns heute Abend.«
»Ich hoffe, das ist ein Versprechen«, erwiderte ich lächelnd.
»Natürlich.«
»Können wir los?«, fragte Allie. Ich war mir nicht sicher, ob sie die öffentliche Zurschaustellung unserer Zuneigung nervte oder ob sie von der Tatsache frustriert war, dass ich ihren Vater warten ließ. Momentan wollte ich das auch gar nicht wissen.
»Ja«, sagte ich. »Natürlich.« Wir waren, wie so häufig in letzter Zeit, mit zwei Autos zur Kirche gefahren. Während Stuart also auf seinen Infiniti zusteuerte, ging ich mit Allie und Timmy zum Minivan.
»Kate! Kate!«
Ich drehte mich um und entdeckte Delores Sykes, die Pfarrangestellte, wie sie auf mich zueilte.
»Hallo, Delores.«
»Es freut mich, Sie zu sehen«, sagte sie. »Und dich erst!«, fügte sie hinzu und zog Allie an sich. »Du bist in den letzten zwei Wochen ja mindestens um dreißig Zentimeter gewachsen. Mindestens!«
Allie schaffte es, gequält zu lächeln. Sie löste sich aus der Umarmung und nahm Timmy an die Hand. »Ich setze ihn schon mal in den Kindersitz«, erklärte sie, ganz die pflichtbewusste Tochter. Neiderfüllt sah ich ihr nach.
»Ich weiß, dass ich schon seit einiger Zeit nichts mehr archiviert habe«, begann ich. »Aber…«
»O nein«, unterbrach sie mich. »Da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Ich weiß, dass Sie mehr als genug zu tun haben. Eine pubertierende Tochter und ein kleiner Bengel machen viel Arbeit.«
»Stimmt.« Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte. Normalerweise nutzte Delores jede Gelegenheit, mich zu bitten, mehr Zeit im Archiv der Kathedrale zu verbringen, um dort die Spenden, Schenkungen und Nachlässe durchzusehen, die der Kirche im Laufe der Zeit überlassen worden waren. Ich hatte schon zahlreiche Kisten durchsucht, Spenderlisten angelegt und dabei alles, was irgendwie so aussah, als wäre es von historischem Interesse, an die Berufsarchivare weitergereicht. Es handelte sich um ein Projekt, zu dem ich mich schon vor vielen Monaten hatte überreden lassen. Zwar war es mir auf diese Weise möglich gewesen, Dinge zu erfahren, durch ich wahrscheinlich die Welt hatte retten können, aber großen Spaß bereitete mir die Arbeit in den Kellergewölben der Kirche nicht. Die Räume da unten waren düster und staubig, und in den Kisten fand sich immer wieder allerlei Ungeziefer.
Es war also sowohl eklig als auch meistens ziemlich langweilig. Keine so tolle Kombination.
»Ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie mir im kommenden Monat dabei helfen könnten, ein Essen zu Ehren von St. Maedhog zu organisieren.«
»Von wem?«
»St. Maedhog«, wiederholte sie, als ob es mir bei der zweiten Erwähnung des Namens wie Schuppen von den Augen fallen müsste. »Wir feiern Anfang April seinen Namenstag.«
»Aha.« Ich runzelte verwirrt die Stirn. »Ich… Gibt es denn schon lange solche Essen zu Ehren eines Heiligen?« Ich hatte noch nie zuvor davon gehört. Wenn man außerdem bedachte, dass jeden Tag irgendein Heiliger seinen Namenstag feierte, kam mir das Ganze ziemlich aufwendig vor.
»O nein. Nein! Keine Angst. Diesmal geht es um ein Wohltätigkeitsessen, um die Restaurierungsarbeiten zu finanzieren«, erklärte Delores.
Die Kathedrale wurde schon seit einer halben Ewigkeit restauriert, und die meisten Messen fanden in der Zwischenzeit im Bischofssaal statt. Nur während der Karwoche durften wir in die Hauptkirche zurück, was mich freute, da es sich um eine ausgesprochen schöne Kirche handelte. Wenn Delores’ Wohltätigkeitsessen also dazu beitragen würde, dass wir schneller in die Kathedrale zurückkönnten, dann hatte ich sicherlich nichts dagegen einzuwenden. Ganz im Gegenteil. Ich hätte mich sogar ziemlich schlecht gefühlt, ihr die diesbezügliche Bitte abzuschlagen.
»Was soll ich tun?«
»Ach, nichts Schwieriges. Einfach nur die Einladungen schreiben und für die Erfrischungen sorgen. Wir planen das am besten, wenn sich das zuständige Komitee trifft. Einverstanden?«
»Ja gern«, erwiderte ich und zwang mich zu einem Lächeln. »Klingt gut.«
»Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann, Kate«, meinte Delores.
»Und warum gerade dieser Heilige?«, fragte ich, ehe sie wieder davoneilte. »Suchten Sie einfach nur nach einem Anlass für ein Essen im April?«
»O nein, meine Liebe. Father Ben hatte die Idee. Er wird auch einen Vortrag
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