Pretty - Erkenne dein Gesicht
schaute die Hebel des Stößels an und schluckte. Die beiden Griffe waren aus fröhlichem gelbem Kunststoff und sahen aus wie Joysticks, jeder hatte einen dicken Startknopf. Als sie sie anfasste, ließ die Kraft der wartenden Maschine ihre Hände zittern, wie das Dröhnen eines Flugzeuges, das über sie hinwegflog.
Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie die Hebel betätigte, aber das gelang ihr nicht. Doch Tally hatte alle Argumente verbraucht und die Zeit für Diskussionen war vorbei.
Nach dreißig langen Sekunden im eisigen Wasser zog Zane seine Hand heraus.
"Mach die Augen zu, falls Metall herumfliegt. Es ist sicher brüchig von der Kälte", sagte Zane mit normaler Stimme. Tally verstand. Es spielte jetzt keine Rolle mehr, was die Manschette hörte. Bis irgendwelche Zuhörer begriffen, wovon sie hier redeten, wären sie schon im Höchsttempo auf dem Weg in die Ruinenstadt.
Zane legte sein Handgelenk an die Tischkante und kniff die Augen fest zu. "Okay. Los!"
Tally holte tief Atem, ihre Hände zitterten auf den Hebeln. Sie schloss die Augen und dachte: Okay. Los jetzt.
Aber ihre Finger gehorchten ihr nicht.
Ihre Gedanken wirbelten herum, sie dachte an alles, was schiefgehen könnte. Sie stellte sich vor, wie sie Zane wieder ins Krankenhaus bringen müsste, mit einem zu Gelee gewordenen linken Arm. Sie stellte sich vor, wie die Specials in der nächsten Sekunde hereinstürmen und sie festnehmen würden, weil sie ihre Pläne erraten hatten. Sie fragte sich, ob Zane wirklich alles richtig berechnet hatte, und ob er daran gedacht hatte, dass die Manschette im Eiswasser bestimmt ein wenig geschrumpft war.
Tally verharrte bei diesem Gedanken und dachte, dass sie ihn vielleicht fragen sollte. Sie öffnete die Augen. Die nasse Manschette funkelte im gelben Arbeitslicht des Stößels wie ein Stück Gold.
Tally... mach schon!"
Bei Kälte zog Metall sich zusammen, bei Hitze dagegen ... Tally schaute zur Glasbläserin am anderen Ende der Halle hinüber, die keine Ahnung davon hatte, was hier Schreckliches und Brutales passieren würde.
"Tally!", sagte Fausto leise.
Bei Hitze würde die Manschette sich vielleicht erweitern ...
Die Frau hielt das rot glühende Glas in den Händen und drehte es, um es von allen Seiten zu prüfen. Wie hielt sie das geschmolzene Glas?
"Tally", sagte Fausto. "Wenn du willst, dann kann ich ...
"Wartet einen Moment", sagte sie und nahm die Hände von den Hebeln.
"Was ist los?", rief Zane.
"Bleibt hier." Sie zog die Erinnerungskarte aus dem Lesespalt und achtete nicht auf die Proteste, sondern rannte an den ausgeschalteten Schmelzöfen und Geräten vorbei durch die Halle. Als sie näher kam, schaute die Frau gelassen auf und lächelte mit Mittel-Pretty-Ruhe.
"Hallo, meine Liebe."
"Hallo. Das ist wunderschön", sagte Tally.
Das freundliche Lächeln wurde wärmer. "Danke."
Tally konnte die Hände der Frau jetzt sehen, sie schimmerten im rot glühenden Licht silbern. "Sie tragen Handschuhe, oder?"
Die Frau lachte. "Sicher. So eine Esse ist ganz schön heiß, weißt du."
"Aber Sie spüren nichts?"
"Nicht durch diese Handschuhe. Ich glaube, das Material ist für Shuttles entwickelt worden, die wieder in die Atmosphäre eintreten. Es kann ein paar tausend Grad abwehren."
Tally nickte. "Und die sind ganz dünn, nicht wahr? Von dahinten aus konnte ich nicht mal sehen, dass Sie welche tragen."
"Stimmt." Die Frau nickte glücklich. "Ich kann durch sie hindurch die Beschaffenheit des Glases fühlen."
"Meine Güte." Tally lächelte hold. Diese Handschuhe würden sich unter die Manschetten schieben lassen, das konnte sie jetzt sehen. "Wo kann ich ein Paar bekommen?"
Die Frau nickte zu einem Schrank hinüber. Tally öffnete ihn und fand darin Dutzende von Handschuhen, deren reflektierendes Material glitzerte wie frisch gefallener Schnee. Sie zog zwei heraus. "Haben die alle dieselbe Größe?"
"Ja, sie dehnen sich, du kannst sie bis über die Ellbogen ziehen", sagte die Frau. "Aber du musst sie nach dem Benutzen wegwerfen. Beim zweiten Mal funktionieren sie nicht mehr richtig."
"Kein Problem." Tally wandte sich ab und schloss die Hand fest um die Handschuhe. Erleichterung durchflutete sie, als ihr aufging, dass sie nicht die Hebel betätigen musste. Sie musste nicht zusehen, wie der Stößel sich um Zanes Hand schloss. Ein neuer und besserer Plan nahm in ihrem Gehirn Gestalt an - sie wusste genau, wo sie einen starken Brennofen finden würden, einen, den sie noch dazu bis zum Stadtrand
Weitere Kostenlose Bücher