Pretty Little Liars - Herzlos: Band 7
bleiben könne, um an der Hochzeit teilzunehmen.
Emily hatte alle Kühe und Pferde noch ein letztes Mal gestreichelt und gemerkt, dass sie sie vermissen würde.
Und nicht nur sie – auch die stillen Nächte, den Geruch nach frisch gemachtem Käse und das Muhen, das gelegentlich die Stille durchbrach. Außerdem lächelten sie alle Mitglieder der Gemeinde an und grüßten sie, obwohl sie eine Fremde war. So etwas gab es in Rosewood nicht.
Emily und Lucy gingen aus der Tür und zitterten in der plötzlichen Eiseskälte. Es duftete nach frisch gebackenem Brot für die Hochzeitsfeier, die morgen stattfinden würde. Offenbar bereiteten sich alle Familien der Gemeinde auf die Festlichkeiten vor. Männer striegelten die Pferde für den Umzug. Frauen schmückten Marys Elternhaus mit Blumen und gehorsame Kinder räumten den Hof auf. In der Ferne hörte Emily ein Geigentrio üben.
Lucy pfiff durch die Zähne und ließ die Arme locker an ihren Seiten baumeln. Seit ihrem Gespräch über Leah wirkte sie so befreit, als habe sie einen tonnenschweren Rucksack abgestreift. Emily fühlte sich im Gegensatz dazu bleischwer und schwach, als habe nur die Hoffnung, Ali sei noch am Leben, ihr Energie verliehen.
Sie passierten die Kirche, ein rechteckiges, schmuckloses Gebäude ohne jegliche religiösen Symbole. Ein paar Pferde waren im Vorhof angebunden und bliesen weiße Atemwolken in die frostige Luft. Der Friedhof lag, durch ein Eisengitter abgetrennt, hinter dem Gebäude. Lucy blieb plötzlich nachdenklich stehen. »Könnten wir kurz reingehen?« Sie nestelte nervös an ihren Wollhandschuhen. »Ich glaube, ich würde gerne Leah besuchen. «
Emily schaute auf die Uhr. Ihr Bus ging erst in einer Stunde. »Klar.«
Das Tor quietschte, als Lucy es aufschob. Ihre Schuhe schleiften durch das von Reif bedeckte, abgestorbene Gras. Vor ihnen reihten sich schlichte graue Grabsteine für Babys, alte Männer und eine ganze Familie namens Stevenson auf. Emily kniff fest die Augen zusammen und versuchte, sich der Realität zu stellen. All diese Menschen waren tot … genau wie Ali.
Ali ist tot. Emily versuchte, den Gedanken mit jeder Faser ihres Körpers zu spüren. Sie dachte nicht an die schrecklichen Aspekte von Alis Tod, an ihren letzten Herzschlag, ihren letzten Atemzug, ihre zu Staub zerfallenden Knochen. Stattdessen dachte sie an Alis fantastisch dekadentes Leben im Jenseits. Wahrscheinlich lebte sie an einem wunderschönen Strand, wo die Sonne immer aus einem wolkenlos blauen Himmel schien, und aß nur Krabbencocktail oder Red-Velvet-Kuchen – Alis Lieblingsgerichte. Alle Jungs waren in sie verknallt und alle Mädchen wollten so sein wie sie – sogar Prinzessin Diana und Audrey Hepburn. Sie war immer noch die fantastische Alison DiLaurentis und regierte das Jenseits genauso, wie sie das Diesseits regiert hatte.
»Ich werde dich so sehr vermissen, Ali«, sagte Emily halblaut. Der Wind trug ihre Worte davon. Sie holte ein paarmal tief Luft. Fühlte sie sich jetzt anders, irgendwie gereinigt? Nein. Ihr Herz klopfte immer noch schnell und ihr Kopf schmerzte. Es kam ihr vor, als sei ihr ein lebenswichtiges
Organ aus dem Körper gerissen worden. Sie öffnete die Augen und bemerkte, dass Lucy sie besorgt ansah. »Alles in Ordnung?«
Emily bemühte sich zu nicken und lief um ein paar schiefe Grabsteine herum. Die meisten waren von Unkraut überwuchert. »Ist das Leahs Grab?«
»Ja«, sagte Lucy und fuhr über den Rand des Grabsteins.
Emily ging zu ihr und schaute nach unten. Leahs Grabstein war aus grauem Marmor, die Inschrift schlicht. Leah Zook. Emily blinzelte, als sie das Datum las. Leah war am 19. Juni vor fast vier Jahren für tot erklärt worden und am darauffolgenden Tag war Ali verschwunden. Holla.
Dann bemerkte Emily einen achtzackigen Stern über Leahs Namen. Ein Funke blitzte in ihrer Erinnerung auf. So einen Stern hatte sie vor Kurzem erst irgendwo gesehen. »Wofür steht der?« Sie zeigte darauf.
Lucys Gesicht umwölkte sich. »Meine Eltern wollten ihn unbedingt auf dem Grabstein haben. Es ist das Symbol unserer Gemeinde. Aber ich war dagegen. Der Stern erinnert mich an ihn .«
Eine Krähe ließ sich auf einen Grabstein nieder und schlug mit ihren tintenschwarzen Flügeln. Der Wind heulte und ließ die Scharniere des Friedhofstors quietschen. »An wen?«, fragte Emily.
Lucy starrte auf einen einsamen, dürren Baum in der Mitte eines Feldes. »Leahs Freund.«
»D-der, mit dem sie sich so oft gestritten hat?«,
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