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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Doppeldoktor hatte mich in den Fall mit einbezogen), »sieht es so aus, daß sich der Kranke periodisch in - ich sage das jetzt einmal bewußt laienhaft -eine andere Person verwandelt, die Verbrechen begeht, für die sein - nennen wir es mal - >alltägliches Ich< glaubt, keine Verantwortung tragen zu müssen. Doch all das ist bisher nur eine Vermutung. Genauso gut möglich ist, daß er einfach nur simuliert. Alles, was wir machen können, ist gründlichst und sorgfältigst zu untersuchen. Dazu gehört selbstredend auch der gezielte Einsatz von Medikamenten.« Er blickte mich scharf an. Der Satz war an mich gerichtet gewesen.
    Ja, gut, vielen Dank, doch ich hatte noch an der Art, wie er >gründlichst< und >sorgfältigst< betont hatte, zu kauen.
    »Dabei lastet die ganze Verantwortung auf den Schultern von uns, den Gutachtern. Wenn wir einen Täter falsch beurteilen, der Richter läßt ihn daraufhin frei, und er begeht weitere Straftaten, bleibt der schwarze Peter bei uns hängen.«
    Da ist die Versuchung natürlich groß, dachte ich mir, auf Nummer Sicher zu gehen.
    »Wir können nur hoffen, bis zum Prozeßbeginn im . November, glaube ich, zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen zu sein.«
    »Aber .« Ich wußte nicht recht, wie ich's ausdrücken sollte. ». an Roselius' Täterschaft an sich gibt es also keine Zweifel?«
    »Nein«, antwortete er schroff. »Die Beweislage ist erdrückend. Wir untersuchen eigentlich nur noch den Grad seiner Schuldfähigkeit, die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalles, versuchen, einen gangbaren Weg der Therapie zu finden und sprechen nach gründlicher Begutachtung unserer Ergebnisse eine Empfehlung über seine weitere Verbringung aus.«
    Ich meinte, schon im Groben zu wissen, wie die Empfehlung aussehen würde.
    Er sah auf die Uhr an seinem Handgelenk. »Noch Fragen?«
    »Ja«, sagte ich. »Wo bekomme ich meine Besuchserlaubnis verlängert?«
    »Wenn«, antwortete er und schob eine winzige Pause ein, »dann hier bei mir.«
    Ich tat so, als hätte ich das >wenn< nicht gehört. »Ich habe so ein Gefühl«, sagte ich, »als ob ich noch eine ganze Reihe von Besuchen bei Roselius machen müßte. Er scheint mir der mißtrauische Typ zu sein. Wissen Sie, nur mal angenommen, ich gewinne sein Vertrauen, oder ich finde im Kreis seiner Freunde, Bekannten, Verwandten jemanden, der von gravierenden Vorfällen aus Roselius' Jugend weiß, könnte das Ihnen bei Ihren Untersuchungen nicht behilflich sein?«
    Er zog ein abschätzendes Gesicht. »Möglicherweise«, räumte er säuerlich ein.
    Es klang so, als ob er sich möglicherweise irgendwann mal herablassen könnte, für zwei Minuten den kümmerlichen Ergebnissen meiner stümperhaften Recherchen zu lauschen.
    »Ich bin sofort zurück«, sagte er, als sei er zu einem Entschluß gekommen und verschwand im Nebenzimmer.
    Alleingelassen schaute ich mich um, wie man das so macht. Das einzige persönliche Stück im ganzen Zimmer schien mir ein Fotoständer auf dem Schreibtisch zu sein, direkt neben dem Namensschild. Ansonsten nur das Übliche - die glatten Schränke mit Türen oder Schubladen, ein von einer Arzneimittelfirma gestifteter Kalender, die unvermeidlichen Blumendrucke. Leider stand der Fotoständer mit dem Rücken zu mir. Ich hätte zu gern gesehen, mit wem der Doktor wohl verheiratet war.
    Das Telefon nebenan summte. Ich hörte, wie er sich militärisch knapp meldete.
    Ich griff danach. Was war schon dabei. Jesus! Madame Blandette, am Arm ihres Gatten vor einem blühenden Busch abgelichtet, war eine hagere, biestig aussehende alte Krähe, was mir ein bißchen vom Glauben an eine höhere Gerechtigkeit zurückgab. Im Endeffekt kriegen sie doch alle die Ehepartner, die sie verdienen.
    Der Doktor beendete sein Gespräch mit einem dreifachen Nein! und legte auf, kramte aber noch in einer Schublade, wie es klang.
    Das Foto war nicht richtig zentriert. So war des Doktors linker Arm zum Beispiel nur halb drauf. Komisch.
    Fump-poc machte ein Stempel im Nebenzimmer, eine Schublade wurde zugeschoben, ich stellte hastig den Ständer wieder an seinen Platz, und schon kam der Doktor zurück mit einem Zettel in der Hand, überflog ihn noch mal und reichte ihn mir dann mit sichtlichem Unbehagen rüber, ganz so, als zweifele er innerlich an der Richtigkeit seines Tuns. Ich las. Wieder nur zwei Tage.
    »Gibt es von dieser Zwei-Tage-Regelung eigentlich keine Ausnahme?« fragte ich.
    »Nein. Keine.«
    »Na«, sagte ich mit gespielter Munterkeit und erhob mich, »dann

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