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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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pumpen Sie ihn mir mal morgen nicht wieder so voll, was?«
    »Würden Sie auch das bitte uns überlassen?« kam es sofort und mit Eiseskälte zurück, und ich mußte wieder kurz an mich halten. Er stand völlig ruhig da, völlig ausdruckslos und mit der ganzen Selbstgefälligkeit eines absoluten Herrschers.
    Ich nickte, resignierend, und packte die Klinke.
    »Ach, übrigens«, hielt er mich zurück, »wissen Sie schon, wann Sie morgen hier zu erscheinen gedenken?«
    Ich tat nicht nur so, ich dachte tatsächlich kurz nach.
    »Nun, so gegen 17 Uhr«, antwortete ich, »so wie immer. Ich hab da noch einen anderen Fall«, ich hob entschuldigend die Arme, »deshalb.«
    Er nickte, gnädig. Ich war entlassen. Draußen roch ich die gute, warme Abendluft und atmete tief durch. Ich war entlassen, ja. Ich war frei.
    »Ich weiß ehrlich nicht, was du hast«, sagte ich zu Veronika. Wir saßen in ihrer durchgestylten Essener Kanzlei, und ihre Art, eine kühle Arbeitsatmosphäre aufrechtzuerhalten, ging mir schwer auf die Nüsse. »Deinem Mandanten geht's doch prächtig. Der kriegt all die Drogen umsonst, für die wir uns damals die Hacken abgelaufen haben.«
    »Du vielleicht«, sagte sie kalt. Veronika hat früher mal gehascht<, aber wahrscheinlich, wie Bill Clinton, >nicht inhaliert< dabei.
    Ich fuhr fort: »Dann schreibt ihn der Doktor gaga, und er braucht nicht ins Zuchthaus, sondern kann für den Rest seiner Tage in der Anstaltswerkstatt blaue und rote Plastikteilchen auseinandersortieren, oder was auch immer die da machen.« Ich hörte mir selber zu. Im Bedürfnis, Veronika zu provozieren, rede ich mir schon mal einen ziemlichen Stuß zusammen. Der Stuß echote nach. Für den Rest seiner Tage?
    Ich fragte: »Wie lange können die den eigentlich einbuchten, gesetzt den Fall, sie erklären ihn für bekloppt?«
    Veronika hörte auf, mit dem Kugelschreiber herumzuspielen, legte ihn vor sich auf den Schreibtisch aus Stahl und Acryl, sah mit gerunzelten Brauen hoch und antwortete: »Theoretisch tatsächlich für den Rest seiner Tage. Die Dauer der Unterbringung ist völlig unbegrenzt. Einmal pro Jahr wird sie allerdings geprüft, doch wenn Arzt und Gericht übereinstimmend zu dem Schluß kommen, daß weitere Straftaten zu befürchten sind, bleibt er drin.«
    Sie tippte die Spitzen ihrer Mittelfinger gegeneinander und sah mich ausdruckslos an.
    Ich räusperte mich. Ich saß nicht bequem. Ich fühlte ein Unbehagen, das nichts mit der Situation hier im Raum zu tun hatte.
    Knast, dachte ich, ist Knast: Sie brummen dir, sagen wir mal, fünf Jahre auf, und du weißt, solange du die Schließer siezt und keine Revolte anzettelst, hast du gute Chancen, in rund drei Jahren wieder draußen zu sein. Spätestens aber in fünf.
    In der Anstalt brauchst du dagegen nur in die Hände eines selber nicht ganz waschechten Psychiaters zu fallen, und sie behalten dich für immer drin.
    Für immer.
    Jetzt stell dir vor, du bist unschuldig. Hast in deinem Leben noch keinem Wesen auch nur ein Haar gekrümmt. Kannst du dir den alljährlichen Haftprüfungstermin ausmalen? Die irrwitzigen Hoffnungen, die sich damit verbinden müssen? Und dann erstmal die Enttäuschung, wenn es ein ums andere Mal wieder heißt: >Nö. Sie bleiben drin.    Also, für mich wär das nix.
    Ich zückte meinen Block. Ich fragte: »Haben wir irgendeine Handhabe, gegen diese Besuchsordnung anzugehen? Ich habe keine Lust, alle zwei Tage bittend auf den Knien herumzurutschen, nur um mich für Stunden in diesen Katakomben einschließen lassen zu dürfen.«
    Veronika schüttelte bedauernd den Kopf. »Selbst mir können sie im Extremfall den Zutritt verweigern. Das Christopherus-Asylum ist kein Gefängnis. Das StGB gilt dort nur soweit, wie es nicht mit den therapeutischen Maßnahmen kollidiert. Und ob es das tut, liegt im Ermessen der Ärzte. Das heißt mit anderen Worten, Kristof - wir werden uns mit denen gutstellen müssen.«
    Ich dachte an Dr. Blandette, und ich dachte an mich. Ich bedachte das herzliche Verhältnis, das uns beide verband, tief verwurzelt in gegenseitiger Wertschätzung.
    Das Beste, dachte ich mir, wird sein, ich bringe den Fall in den nächsten zwei Tagen hinter mich.
    »Also«, sagte ich. »Wie kommst du darauf, daß Bernd Roselius nicht der >Schlächter von Bottrop< ist?«
    Halb zehn abends, und die Sonne schien immer noch. Wie ich sie hasse, die Sommerzeit.
    Atas und Larrys >Altmetall-Recyclinghof< lag am Ende einer hundert Meter kurzen, ungepflasterten Sackgasse

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