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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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kam ein Auto vorbei. Im Radio war heute aber auch nur Mist. Kippen waren so gut wie alle.
    Im Grunde bin ich überhaupt nicht der richtige Typ für einen Privatdetektiv. Man sitzt zuviel herum. Zuviel Warterei, zuviel Langeweile. Zuviel Zeit zum Grübeln.
    Wir sind damals auf diese Party gegangen, Kim und ich, und die Brause hatte geschmeckt, wie sie nur schmeckt, wenn jemand anders sie bezahlt hat, und alles war ganz wundervoll und heiter gewesen, bis dieser Boxer mit seinem Gefolge zur Türe hereingekommen ist. >Bumm-Bumm< Paolo Bianchi, die große deutsche Hoffnung im Mittelgewicht. Er hatte sich einmal freundlich im Raum umgesehen, und die Männer hatten trocken geschluckt und die Frauen hatten weiche Knie bekommen, wirklich, ganz so, als wäre er der Anführer einer schwerbewaffneten Räuberbande gewesen, und nicht ein simpler Faustkämpfer aus Duisburg-Wanheimerort, begleitet von einer Handvoll Schulterklopfer. Trotzdem, er hatte sowas. Sowas, was Männer trocken schlucken und Frauen weiche Knie macht. Und was sonst noch. Als sein Blick auf Kim fiel, ist mir beinahe übel geworden vor spontaner Eifersucht. Ich verstand plötzlich, wie sich mein Toyota fühlen muß, wenn sich an der Ampel ein Alfa neben ihn schiebt.
    Es gibt solche Paare, die wie füreinander geschaffen scheinen. Erinnert sich noch jemand an Mick und Bianca? Ja? Tatsache? Oder Kate Moss und Johnny Depp?
    Also, von mir und Kim hatte ich bis dahin ganz ähnlich gedacht. Bis zu der Party. Bis zu Paolos Auftauchen.
    Kim und er hatten einander in die Augen gesehen und nicht mehr aufhören können; wie inzestuöse Geschwister: einer das Spiegelbild des anderen. Beide waren sie dunkelhaarig, bronzehäutig, von grazilem Gang und perfekt gezeichnet, fast schon zu schön.
    >Der Panther und die Gazelle<, oder was immer es gewesen ist, was mir an peinlichen Vergleichen durch den Kopf schoß, in diesem Moment, diesem winzigen Augenblick, den Kim brauchte, um mich einfach komplett zu vergessen. Wie einen Mitreisenden im Zug. Wie sieben Jahre Latein. Boff! - Und weg.
    Der Panther, die Gazelle und der Straßenköter. Mich haben sie damals einfach an der Laterne festgemacht und sind in die Nacht entschwunden, gewissenlos, wie es nur frisch Verliebte sein können, gleichzeitig aber auch hilflos dem Ansturm ihrer wechselseitigen narzißtischen Gefühle preisgegeben.
    Nehme ich an.
    Wiedergesehen habe ich Kim seither auf alle Fälle nicht.
    Zorro bellte. Ich fuhr hoch. War ich eingenickt? Wenn schon. Jetzt war ich wieder wach. Zorro bellte, und Ata krakeelte. Wenn Kim und Paolo ein optisches Traumpaar abgaben, dann waren Ata und sein Hund ein stimmliches. Im Duett und gut in Form wie heute abend, vermochten sie, polierten Oberflächen im Umkreis von einem Kilometer den Glanz zu nehmen.
    Zorros heiserer Baßbariton wurde schwächer, doch Atas Krächzen kam die Gasse hoch näher.
    »Zündung!« kommandierte er, hörbar kurzatmig. Der gammelige VW-Bus tauchte an der Kreuzung auf, geschoben von Ata, Larry und einem anderen, dem zweiten Polen, anzunehmenderweise.
    »Zweiter Gang rein! Jetzt!!« Ballernd und spotzend sprang der betagte Vierzylinder-Boxermotor ins Leben. Der Fahrer trat Gas und Kupplung gleichzeitig, bis sein Co reingesprungen war, dann röhrten sie davon.
    Rot glomm meine Ölkontrolleuchte, gelb die LadeStromkontrolle, mein Fuß pumpte nervös das Gaspedal, meine Rechte hing zitternd am Zündschlüssel. Darauf hatte ich den ganzen, gottverdammten Abend lang gewartet.
    Ata und Larry standen mitten auf der Straße, Arm in Arm schwankend, und winkten dem einsamen, rasch kleiner werdenden Rücklicht hinterher. Sie standen mit dem Kreuz zu mir und doch mitten im Weg. Wollte ich dem Bus folgen, mußte ich an ihnen vorbei. Dabei würden sie mich natürlich sehen, selbstverständlich erkennen, und unter Umständen brauchte es dann bloß einen Anruf, und am Ende der Verfolgungsfahrt würde eine finstere Gasse auf mich warten, belebt mit finsteren Gestalten, die ihren finsteren Gedanken am besten mit Hilfe von Baseballschlägern Ausdruck zu verleihen wußten. Ich zögerte.
    Das einsame Schlußlicht und das ballernde Motorgeräusch entfernten sich mehr und mehr. Nächtliche Stille kehrte zurück. Rasende Ungeduld ließ Haßgefühle in mir keimen.
    Ata riß die Tür der Telefonzelle auf, kramte in seiner Hosentasche, nahm den Hörer ab, wählte. Ich wollte gerade starten und mich irgendwie vorbeimogeln, da streckte er den Kopf wieder raus, mehr oder weniger in meine

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