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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Blickrichtung.
    »Was willssen du?« bölkte er in die Nacht, und ich dachte
    >Scheiii-ße!< - »Schi-Schinken unn Sa-alami oder Sallallami unn Schschinken?« Larry, der schwankend dastand, in den Sternenhimmel hochsah und gegen den Zaun pißte, antwortete, er wolle Thunfisch.
    Ata drehte sich wieder um und schrie eine Bestellung in den Hörer.
    Ich startete, knipste das Abblendlicht an, rollte los, schaltete rasch hoch, um den Auspuffton niedrig zu halten, und schlich mich so unauffällig es ging an den beiden vorbei. Sie schienen keine Notiz zu nehmen. Larry bewunderte weiter das Firmament und Ata gestikulierte mit dem Rücken zu mir in der Zelle herum.
    Langsam und vorsichtig senkte ich den Gasfuß, bis es nicht mehr weiter ging. Allmählich hob sich die Drehzahl und die Tachonadel wanderte in den dreistelligen Bereich. Ich blendete die Scheinwerfer voll auf. Rechter Hand mündeten eine ganze Reihe Sackgassen, und wer immer da meinte, auf seine Vorfahrt pochen zu können, sollte gewarnt sein, bevor ich ihm mit hundertdreißig in die Seite krachte.
    Nichts zu sehen von dem Bus. Am Ende der Straße war eine Ampel und ließ ihr Rot erstrahlen, einzig für mich. Hier ging's nur rechtsrum. Links war verboten, und geradeaus war ein aufgeschütteter Straßenbahndamm. Wer linksrum wollte, mußte bis zur nächsten Kreuzung und dann wenden. Also rechts. Augen links, alles frei. Jaahuuuuuuuiiiiihiiiihiiiii machten die Reifen. Rein von der Theorie her sollte man annehmen, daß profillose Reifen besser haften als andere. Die Praxis sah anders aus: Sie schmierten weg wie nix, und ich mußte die Carina ein wenig den Bahndamm hochklettern lassen, um die Kurve nicht komplett zu verpassen. Ein kurzer Blick nach vorn, und ich trat die Bremse, daß ein Ruck durch die Kiste ging. Blanke Reifen, mußte ich feststellen, bremsen auch nicht besonders.
    45° schräg zur Fahrtrichtung kam ich quer über beide Fahrspuren verteilt zum Stehen, einen knappen halben Meter hinter dem VW-Bus. Noch 'ne Ampel. Und den Motor hatten sie abgewürgt. Wie gefroren die beiden Gestalten in meinem Scheinwerferlicht: Der Fahrer hing, starr vor Schreck, halb aus der Türe und war wohl gerade dabeigewesen, seinen Beifahrer beim Schieben zu ermuntern, als ich um die Ecke gedriftet kam. Der Beifahrer war in Panik zur Seite gehechtet und auf den Arsch gefallen. Sie starrten mich an, als ob sie sich meine Züge unauslöschlich und für immer einprägen wollten.
    Meisterdetektiv Kristof Kryszinski, dachte ich, auch >Der Lautlose Schatten< genannt, in unnachahmlicher Ausübung seiner legendären beruflichen Fähigkeiten.
    Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte - sie schienen mich bemerkt zu haben. Etwas beschämt blendete ich die Scheinwerfer ab. Der Beifahrer krabbelte auf die Füße. Er schwankte sichtlich. Ob vor Schock oder einer Kombination von Bier und Jägermeister ließ sich auf die Distanz nicht recht sagen. Ich bedeutete ihm, sich auf seinen Sitz zu schwingen, und ließ die Carina langsam vorrollen, bis sich ihre und die Stoßstange des Busses berührten. Die Ampel sprang auf Gelb, und ich schob ihn über die Kreuzung. Ein kurzes Rumpeln, und sie waren wieder aus eigener Kraft unterwegs. Wir winkten uns zu, ich setzte den Blinker rechts und bog ab. Nur ein hilfsbereiter, freundlicher Fremder in der Nacht. Vielleicht ein ganz klein bißchen unkonventionell, was seinen Fahrstil anging.
    Kaum abgebogen, riß ich den Wagen mit der Handbremse herum und tastete mich zur Einmündung zurück. Ein ganzes Stück die Straße runter bogen die beiden Polen links ab.
    Hinterher. Eine größere Straße jetzt, nicht mehr ganz so verlassen. Zumindest etwas Verkehr. Gut. Der Bus war an seinem einzelnen Rücklicht und der fehlenden Kennzeichenbeleuchtung wunderbar von den anderen Autos zu unterscheiden, ich konnte mich so zurückfallen lassen und im übrigen Verkehr verstecken.
    Der ließ bald wieder nach. Rechtsrum, linksrum, geradeaus, wieder links, - allmählich verlor ich ganz leicht den Überblick. Wir tauchten ein in ein altes, reichlich heruntergekommenes Vorortviertel. Gar kein rollender Verkehr mehr. Autoleichen am Straßenrand, vernagelte Ladenfronten, Baulücken. Langsam, jetzt.
    Die Polen tuckerten, was einmal eine belebte Einkaufsstraße gewesen sein mußte hinunter. Irgendwas ist dann passiert mit der Gegend. Wahrscheinlich haben sie eine große Fabrik dichtgemacht, ein Stahlwerk oder eine Zeche, die Leute gefeuert und das >Umstrukturierung< genannt.

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