Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
Schlägerei mit einem Unbekannten verwickelt gewesen ist. Alles richtig?«
    Ich bestätigte, auch wenn es sich irgendwie schon komisch anhörte, so, wie er das formulierte.
    »Jetzt korrigieren Sie mich bitte sofort, sollte ich etwas Falsches sagen: Wenn ich Sie richtig verstehe, schließen Sie aus der Tatsache, daß dieser Unbekannte eine Sonnenbrille trug und einen allem Anschein nach etwas zurückgebliebenen Begleiter bei sich hatte, nicht nur, daß A): Bernd Roselius das unschuldige Opfer eines Mordkomplotts ist, sondern B): obendrein, daß es sich bei dem bisher nicht näher identifizierten Sonnenbrillenträger um den wahren Mörder Monika Sieberts handelt, der sich noch dazu mitten in der Vorbereitung eines weiteren Verbrechens nach dem gleichen Muster befindet. Habe ich das alles -«
    Ich legte auf. Ich habe >interessante< Erfahrung gesagt, nicht >schmeichelhafte<. Der Hohn in Kujaks Stimme war höflich und dezent gewesen, aber immer noch Hohn.
    So war das also. Von dieser Seite war keinerlei Hilfe zu erwarten. Kujak hielt mich schlichtweg für bescheuert. Hatte ich mich so ungeschickt ausgedrückt? Ich spulte meine Schilderung noch einmal vor meinem geistigen Ohr ab. Nein, für mich machte sie weiterhin Sinn. Doch bedurfte es wahrscheinlich mehr als nur eines Telefonanrufs, um eine Behörde einen seit Monaten abgeschlossenen und an die nächste Instanz weitergereichten Fall wieder aufnehmen zu lassen. Wahrscheinlich mußte erst etwas passieren. 'N Mord oder so.
    Plötzlich spürte ich die Last einer völlig ungebetenen Verantwortung. Verdammt, was hatte ich eigentlich damit zu tun? Ich bekam ja noch nicht einmal Geld dafür! Nicht mal das.
    Veronika sagte einfach >mach mal<, Walter Vogel stellte sich doof, die Bullen zuckten nur die Achseln oder tippten sich an die Stirn, und unversehens stand ich ganz allein da, wie der Trottel, der beim Kommando >Freiwillige vor< stehengeblieben ist, während alle anderen einen Schritt nach hinten gemacht haben. Toll. Alle Welt lehnte sich bequem in ihren Sesseln zurück, verschränkte die Hände in Nacken und war sich darüber einig, ihren Teil beigetragen zu haben, und sei es, indem sie mich mal machen ließen.
    Erfüllt von einer >Ihr könnt mich gleich alle mal kreuzweise<-Stimmung stampfte ich zurück ins Bad, sah hart in den Spiegel, blickte mir gerade in die Augen. Es ging noch. Und wenn das so bleiben sollte, mußte ich wohl ran. Dies war ein Job für einen Detektiv. Für einen richtigen Detektiv. Nicht so einen wie manche.
    Ich dachte an Roselius. Diese arme, arme Socke.
    Noch heute, noch heute Nachmittag würde ich unter Aufbietung all meiner Geduld und Raffinesse irgendeinen Hinweis aus ihm herauskitzeln, irgend etwas darüber, wo und wie man Det erreichen konnte. Ein Nachname, eine Adresse, Telefonnummer, Stammkneipe, jemand Drittes, der solche Informationen haben könnte, irgend etwas. Heute noch. Und sollten sie uns wieder zu unterbrechen wagen, etwa für eine ihrer fadenscheinigen >Behandlungen<, dann sollten sie mich kennenlernen. Aber hallo.
    Ich kniff die Augen zusammen und mein Spiegelbild spannte die Backenmuskeln. Wenn Kryszinski sich einmal in einen Fall verbeißt, braucht es mehr als nur ein paar Weißkittel, um ihm die Kiefer wieder auseinanderzuhebeln.
    Vor allem, natürlich, wenn fünf große Lappen winken.
    Den ganzen Morgen verbrachte ich auf Achse. Ich spähte, ich schnüffelte, ich fragte herum. Ich bluffte. Ich log. Ich versprach immense Belohnungen und völlige Verschwiegenheit. Und alles für'n Arsch. Schrauber, Händler, Schrotter, keiner wollte etwas wissen. Ich konnte mir den Mund fusselig reden, Heiners Motoren blieben verschwunden. Irgendwann hatte ich die Schnauze voll von verschlagenen Blicken und unverhohlen an die Adresse der Konkurrenz gerichteten Verdächtigungen, warf einen Blick auf die Uhr und sah, daß es höchste Zeit war für Ratingen.
    Es war einer dieser flirrenden Nachmittage geworden, an denen die Luft nur noch aus heißen Abgasen zu bestehen scheint und die Autofahrer sich gegenseitig in einen kollektiven Amoklauf hochzuschaukeln beginnen. Plärrende Hupen, drohende Fäuste, Schlägereien um Nichtigkeiten und Irrsinn im Anfangsstadium in allen Mienen. Und ich mittendrin. Sauer und in Eile obendrein.
    Ich ließ sie hupen. Ich ließ sie drohen. Ich ließ einen, der sich wohl von mir geschnitten gefühlt hatte und an der Ampel extra ausgestiegen war, um handgreiflich zu protestieren, freundlich lächelnd gaaanz langsam

Weitere Kostenlose Bücher