Priester des Blutes
nicht einmal seinen Geruch an dieses fremde Land und diese fremden Leute um uns herum verlieren zu müssen.
Er lachte und erzählte mir, dass er auf eigenen Wunsch auf meine Reise mitgeschickt worden sei. »Kenan Sensterre wünschte, dass ich fortginge, und ich bat die Tochter des Barons um Hilfe in dieser Notlage. Sie dachte, du wärest getötet worden, aber als sie erfuhr, dass du ins Heilige Land geschickt werden würdest, hieß sie
mich, deine Wange zu küssen, so dass du ihre Liebe spürst. Ich bin hier als ihre Botschaft für dich. Niemals wird sie dich vergessen, Falkner. Sie wird stets für deine Rettung und deine sichere Rückkehr beten.« Darauf presste Ewen seine Lippen in die Nähe meines Ohres, nahe einer herabhängenden Haarsträhne.
»Fürchte nicht um sie. Sie ist in Sicherheit«, wisperte er. »Sie sagte zu mir, ich solle dich wissen lassen, dass es da ein Andenken an die Liebe gibt, die sie für dich empfindet, so dass sie sich immer an dich erinnert.«
Ich dachte an Alienora und war froh über all dies. Es fühlte sich an, als ob die Schicksalsgöttinnen über mich und über meine Geliebte wachten und als wäre Ewen ein Bote, von ihnen geschickt, um mich wissen zu lassen, dass die Liebe zwischen Alienora und mir nicht durch Krieg oder Exil beendet werden konnte.
Damals wusste ich nicht zu schätzen, welches große Opfer Ewen für mich gebracht hatte, und ich verstand auch nicht das volle Ausmaß seiner Freundschaft; doch wer jemals in ein fremdes Land geschickt wurde, um dem sicheren Tod ins Auge zu sehen, wenn nicht Elend und Not, und dort ein vertrautes Gesicht erblickte, der strebt ebenfalls danach, diesen Menschen jederzeit an seiner Seite zu wissen.
Als ich zu anderen Jünglingen blickte, die auf ähnliche Weise fortgeschickt worden waren, um Soldaten zu werden, wurde mir klar, dass uns allen, die wir aus den Reihen der Armen und Unterwürfigen stammten, das Aussehen der Besiegten anhaftete, wobei es keine Rolle spielte, aus welchem Land wir kamen. Wir waren die Bezahlung für die Schulden des Krieges. Seitdem habe ich gelernt, dass ein großer Teil der Sicherheit und Bequemlichkeit, über die die Menschheit verfügt, auf solchen Bezahlungen aufbaut. Der Reichtum zahlreicher menschlicher Nationen wurde auf den Rücken solcher Menschen wie mir gegründet, die ohne Waffen in den Kampf geschickt wurden, um für den Ruhm anderer
zu kämpfen. Ich hielt mich selbst und Ewen für glücklich, da wir die Reise überlebt und dabei lediglich die Härte des Lebens zu spüren bekommen hatten sowie den Auftrag, der uns auferlegt worden war: dabei zu helfen, das Land des Kreuzes zur Heiligkeit der Christenheit zurückzubringen.
Ich verlor nicht den Mut. Alienoras Gesicht blieb ein Teil meiner Erinnerungen, und ich hatte das Gefühl, ich könnte in meinen Träumen mit ihr sprechen, und sie würde mich hören.
Und ich verlor auch nicht die Hoffnung, als wir anlegten und einige Hunderte von Meilen oder mehr durch das Land marschierten, wobei viele meiner Soldatenkameraden am Rande einer Straße starben, auf die die Sonne unbarmherzig niederbrannte. Sie kippten um, Opfer von Fieber, Durst oder Hunger. Es gab kaum Nachschub, bis wir ein Lager von Gotteskriegern erreichten, am Rande eines steinernen Schlosses namens Kur-Nu. Viele junge Männer aus meiner Kompanie nannten diese Stadt die Stadt des Wunders, denn laut einer Legende befand sich dort das Tuch, mit dem auf dem Weg zu seiner Kreuzigung das Gesicht des Herrn abgewischt worden war. Hätte man mir erzählt, dass wir uns weit entfernt von Jerusalem befanden, dem damaligen Zentrum unserer Welt, so hätte ich es nicht geglaubt. Unsere Kommandanten hatten uns erzählt, dass wir das Werk Gottes, des Papstes und der Könige der Christenheit verrichten würden. Wir reisten in Richtung Südosten. An manchen Tagen, wenn wir einen Gebirgspass überquerten, konnte ich in der Ferne das Blau des Meeres erkennen.
Noch immer war ich jung und glaubte mehr an das Gute als an das Böse, trotz der Grässlichkeiten, die mit meiner Mutter geschehen waren, trotz Corentin und seines dunklen Herzens und trotz des Verrats, den mein Herr, Kenan, an mir begangen hatte, wie ich glaubte. Zwar hatte ich meinen Gerechtigkeitssinn verloren, doch ich glaubte noch immer daran, dass Güte aus dem
dunkelsten Schatten kommen konnte. Nach einem Gefecht entlang eines Handelsweges, bei dem wir den Ungläubigen Kamele und Vorräte wegnahmen und unsere Befehlshaber jeden lebenden Feind
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