Priester des Blutes
etwas, auf das nur selten die Rede kam: das alte Moor, das von Dornbüschen umgeben war. Dabei handelte es sich um das legendäre Moor, in dem alles, was böse war, gärte, und einen Blick hineinzuwerfen, bedeutete schon, dass man seine Seele verlor. Thibaud unterhielt uns so gut mit den Geschichten, die er kannte. Wäre er zu Hause geblieben, so wäre er ohne Zweifel zu einem Geschichtenerzähler geworden, der sich seinen Lebensunterhalt mit der Vielzahl von Geschichten verdiente, die er von einem älteren Geschichtenerzähler kannte.
Während der Schlacht in einem fremden Land hatte er nichts Besseres als uns zur Verfügung, denn die Ritter und Kommandanten hatten keinerlei Interesse an bretonischen Knaben, die allzu frei sprachen.
Ich musste ihn davor retten, allzu schlimm von seinem Herrn verprügelt zu werden, der sich selbst für einen Ritter hielt, in Wahrheit aber nicht besser war als der Rest von uns. Ich sah, wie dieser Mann mit seinen Fäusten auf den Rücken und Kopf des kleinen Knaben einschlug, während sich Thibaud so sehr zusammenkauerte, wie er nur konnte, um den Schlägen zu entgehen. Ich zerrte den Mann hoch, so dass er von seinem brutalen Angriff abließ, und warf ihn zu Boden. Dann zog ich mein Schwert. Allerdings hätte ich dies nicht zu tun brauchen. Männer, die Wehrlosere angreifen, scheinen furchtsamer zu sein als andere. Und so rannte Thibauds früherer Herr wie der Hund, der er war, fort zu seinen betrunkenen Landsleuten und den wenigen Waffenbrüdern, die ihn beschützten.
»Du musst ihn sehr geärgert haben, um solche Prügel zu verdienen«,
sagte ich, als ich ihn zu den Waschfrauen brachte, die seine Wunden besser versorgen konnten als die Johannitermönche selbst.
»Ich habe ihn bestohlen«, antwortete Thibaud. Ich verlangte, dass er mir seine Besitztümer zeigte, und der Knabe zog ein winziges Stückchen Fleisch hervor, das eine erbärmliche Größe hatte und nicht einmal den Hunger eines Neugeborenen hätte stillen können.
»Du brauchst nicht mehr zu stehlen«, sagte ich zu ihm und stellte ihn unter meinen Schutz. »Du kannst von meinem Brett essen und aus meinem Becher trinken.« Sein Herr kam zurück, um ihn zu holen, aber jedes Mal, wenn ich den Mann erblickte, hob ich meine Waffe, um ihn zu grüßen. So wusste er, dass er, um den Knaben in seine Dienste zurückzuholen, zuerst gegen mich kämpfen musste. Er nahm die Herausforderung niemals an.
Auf langen Märschen heiterte Thibaud Dustifot Frey, Ewen und mich mit Geschichten über die Helden aus alter Zeit auf, wie Artus und Lanzelot, und mit Erzählungen über die Feenkönigin, die auf einem See aus Spiegeln ein Schloss aus den Träumen der Sterbenden gebaut hatte, mitten im Herzen unseres Großen Waldes. Für ein Kind besaß er eine ungeheuer große Fähigkeit, aus Geschichten, die gleichsam aus Stroh bestanden, feines Gold zu spinnen. Ich zögerte, meine eigenen Geschichten des Waldes zu erzählen, doch wusste ich schon, dass ich mich eines Tages mit ihm hinsetzen und sie ihm erzählen würde, welche, die er zuvor noch nicht gekannt hatte.
Doch das Bild, das ich von meinen Reisen mit den Soldaten zeichne, ist zu vorteilhaft.
Es gab sehr viele Schlachten, und ein Tag war dann gut, wenn ich erleben durfte, dass weniger als zehn meiner Waffenbrüder niedergemetzelt wurden.
Ich werde nie vergessen, wie sehr in dieser Zeit alles nach Blut roch. Es war kein Rausch, sondern ein Gestank nach Verwesung und Fäulnis, und er besaß eine milchige Konsistenz, gemischt mit Dreck. Ein Schlachtfeld voller Steine und Staub zu sehen, als sei es ein Teppich für Gott, auf dem meine Landsleute und andere Johanniter aufgebahrt waren, mit abgeschnittenen Armen, vom Leib getrennten Köpfen, wobei die kleinen Knaben mit Spießen und Speeren abgeschlachtet worden waren, ebenso wie die Körper der feindlichen Ungläubigen - das ließ mich wünschen, keine weitere Schlacht mehr zu erleben.
Die Tage der Belagerung waren lang und schrecklich. Das Blut stand uns bis zu den Knöcheln, wenn die Tage am schlimmsten waren und niemals zu enden schienen. Ich erinnere mich an einen Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, der sich an mein Bein klammerte, sogar nachdem sein Rumpf in der Mitte durchtrennt worden war. Und dennoch war das einfach nur ein einziger Augenblick in diesem rauchgeschwärzten Krieg, denn ich riss mich los und fuhr fort, Axt und Kurzschwert zu schwingen, während ich diejenigen zu Fall brachte, welche auf mich losgingen, um mich
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