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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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anbrach, verspürte ich eine sogar noch größere Sorge. Nun, da wir mehrere Tagesmärsche vom Lager entfernt waren, bedeutete die Desertion von unseren Rittern den Tod, gleichgültig, ob wir zum Lager der Armee zurückkehrten oder unseren Weg zu der vergifteten Stadt fortsetzten. Es kam mir nicht so vor, als hätte ich eine Wahl, seit ich meine Reise nach Hedammu angetreten hatte.
    Der Knabe begleitete mich, wie es ein Sargträger bei einem Leichenzug getan hätte, indem er dicht hinter mir ging und stumm blieb, als hätte er Angst, von unserem Bestimmungsort zu sprechen. Ich war zu selbstsüchtig, um mich um sein Schicksal zu sorgen. Ich hatte Kinder in der Schlacht sterben sehen. Ich hatte auch
gesehen, wie sie in meiner Heimat am Fieber starben. Vermutlich hoffte ich insgeheim, seine Unschuld würde uns ein Wunder bescheren. Allerdings war die Hoffnung nicht so groß, dass ich es diesem Gedanken gestattete, meinen Entschluss zu schwächen.
    Ich hatte das Gefühl, das Ende dieser Reise bereits zu kennen, und ich hieß es willkommen. Ich hieß den klaffenden Eingang zur Hölle willkommen, denn er konnte kein schlimmerer Ort sein als diese Erde.
    Thibaud Dustifot trug den Wasserschlauch und hatte ein wenig gesalzenes Ziegenfleisch in seinem Tornister und seinen verschiedenen Beuteln verstaut. Wir hielten an, um zu schlafen, und ich darf wohl behaupten, dass wir raue Nächte erlebten, denn nachdem wir einige Tage gereist waren, fegten Stürme vom Meer über uns hinweg. Während der Tagesstunden mussten wir vorsichtig sein, um den Johannitern aus dem Wege zu gehen, denn entlang der zerklüfteten kleinen Hügel und Wüstentäler waren viele Späher und Wächter unterwegs. Ferner mussten wir es ver meiden, auf die Ungläubigen zu treffen, obwohl ich nicht wusste, warum ich mir Sorgen machte, von ihnen gefangen genommen zu werden. Immerhin war der Tod das, wo nach ich strebte. Ich nehme an, ich wollte ihn auf meine eigene Weise finden. Es war nicht mein Wunsch, der Gnade des Feindes ausgeliefert zu sein, dessen zahlreiche Foltern beinahe ebenso bekannt waren wie diejenigen meiner eigenen Landsleute.
    Wir rationierten das getrocknete Fleisch und das Wasser so gut, wie wir nur konnten. Das Brot, das jeden Tag härter und schwerer zu kauen wurde, würde vielleicht noch einige Tage länger reichen, wenn wir sparsam waren. Ich bildete mir ein, dass uns tatsächlich jemand folgte, obwohl ich nie jemanden sah. Am Tag schien die Sonne sehr heiß, während die Nacht oftmals kalt und stürmisch war. Es war ein merkwürdiges Wetter, und meine abergläubische Veranlagung gewann die Oberhand über mich. In den
Augenblicken, wenn mein Entschluss zu schwanken begann, fing ich an, mir vorzustellen, dass der Teufel wahrhaftig auf dieser Straße existierte und dass das, was vor uns lag, wirklich das Schloss zu seinem Ruhm war.
    Mich rührte Thibauds Sorge um mein Wohlergehen, und ich flehte ihn jeden Abend an, er solle zum Lager zurückkehren.
    »Du bist so jung, dass dir deine Desertion vielleicht verziehen wird«, meinte ich. »Möchtest du etwa sterben?«
    »Ich möchte meinem Herrn dienen«, antwortete der Knabe und holte ein Stück Brot für unser Abendessen heraus.
     
    Nach nur noch wenigen Herzschlägen würde das Licht des Tages völlig verschluckt sein, und der Atem der Lebenden stiege wie Nebel auf. Meinen Soldatenkameraden zu Folge hieß es, die Ungläubigen glaubten, dass in den Höhlen unter den Hügeln ein großer Drache lebte. Er verließ sein Versteck durch das Saphirmeer, verschlang jede Nacht die Sonne und ließ vor der Morgendämmerung die neue Sonne durch die Eingeweide der Erde entstehen. Doch es gab keinen Drachen und das Meer war auch nicht voller Juwelen.
    Hedammu, mächtige Festung! Vom Gipfel ihrer Macht als Zentrum des Handels und der Gelehrsamkeit sowie der uralten Geheimnisse des Volkes dieser Region herabgestürzt. Eine giftige, verderbliche Hure von einer Stadt, dieseit langer Zeit verlassen war. Die Teufelshörner. Ich erblickte ihre Türme aus einiger Entfernung, und wie es zuvor berichtet worden war, gab es keinerlei Wache.
    Es war eine goldene Stadt.
    Es war eine Stadt der Toten.
    Der Blick vom Berg rücken aus zeigte das ersterbende kupferrote Licht am Himmel, während die Sonne sich träge in Richtung des metallischen Blaus des Meeres bewegte. Wenn der Wind über die
Türme und Hügel fegte, die östlich des Meeres lagen, erschien er wie ein Ofen, der alles verdorren ließ.
    Der Knabe und ich

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