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PRIM: Netzpiraten (German Edition)

PRIM: Netzpiraten (German Edition)

Titel: PRIM: Netzpiraten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Enss
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ihm bis zum Abend etwas in der Stadt unternehmen könnte.
    Der Nachmittag im Büro verging quälend langsam. Während sie nach außen hin in irgendwelche Programmcodes vertieft war, versuchte Alice, sich den gemeinsamen Abend vorzustellen. Und Situationen, die es ihr ermöglichen würden, den Stick zu kopieren. Gleichzeitig beobachtete sie so unauffällig wie möglich den Glaskasten. Sie musste sicher sein, dass er den Stick auch wirklich mitnahm. Das hatte er bisher zwar immer getan, aber in kritischen Momenten werden selbst kleine Zweifel riesengroß. Mehrmals vergewisserte sie sich, dass die kleine Metalldose, in der er den Stick aufbewahrte, wenn er ihn bei sich trug, auf seinem Tisch zu sehen war. Erst jetzt kam sie auf den Gedanken, dass die Dose wohl nicht nur gegen Schmutz in einer Männerhosentasche, sondern sicherlich auch gegen Strahlung schützen sollte.
    Talburn stand pünktlich zur Büroschlusszeit an ihrem Tisch und bemühte sich, es völlig normal aussehen zu lassen, dass er sie abholte. Sie packte hastig ihre Utensilien in die Rucksacktasche. Er schlug vor, die Tasche doch einfach bis zum nächsten Tag im Schreibtisch einzuschließen. Sie wehrte ab, sagte etwas über geringes Gewicht und dass Frauen immer ein paar Sachen mit sich tragen würden. Glücklicherweise insistierte er nicht. Als sie aus dem Haus traten, war von spätnachmittäglicher Abkühlung noch nichts zu merken.
    „Ich vermute, dass Sight-seeing in New York bei der Wärme nicht unbedingt auf unserem Programm steht. Wie würde dir eine kleine Abkühlung gefallen, Ann-Louise?“, fragte Talburn während sie die Richtung zum Park einschlugen.
    „Ich bin mit allem einverstanden. Du bist hier zuhause, Bob“, ermunterte Alice ihn.
    „Gut, es sind nur ein paar Minuten.“ Er zeigte auf die Krone des Straßenbaums, unter dem sie gerade entlang gingen. „Siehst du, wie die Blätter sich ein wenig im Wind bewegen?“
    „Im Wind? Ich bemerke keinen Wind.“
    „Es ist auch nur eine leichte Brise. Aber sie bewegt ein paar Blätter der Platanen, nicht wahr?“
    Alice schaute genauer auf die Blätter. Einige bewegten sich tatsächlich hin und wieder. Sie blieb stehen, nahm ihren Zeigefinger in den Mund und hielt ihn hoch. „Nicht einmal eine Windstärke von Osten.“ Sie konnte nach Talburns früheren Äußerungen inzwischen einigermaßen sicher annehmen, dass er nicht mehr vom Segeln verstand als sie, auch wenn er das Wort Brise kannte. Deshalb war es richtig, beiläufig Kenntnisse zu zeigen, die er bei Ann-Louise Norwood zweifellos erwarten konnte, ohne dass sie befürchten musste, dass er sie in ein Fachgespräch verwickeln würde.
    „Der Wind entsteht im Park. Er ist auch in dieser Beziehung eine Lunge New Yorks.“
    „Ist es nicht der Rest des Seewindes vom Atlantik? Der müsste doch am Nachmittag wehen, wenn das Land wärmer geworden ist als die See.“ Alice war sicher, dass Talburn sich über Ann-Louise informiert hatte und über ihre Erfolge bei Hochseeregatten Bescheid wusste. Sie war neugierig, ob er jetzt darauf zu sprechen kommen würde. Aber er hielt sich bedeckt.
    „Nein. Der Central Park ist im Sommer bei wenig Wind immer ein bis zwei Grad kühler als der Rest Manhattans. Keine Luftaufheizung durch Rückstrahlung von Asphalt und Gebäuden. Und starke Verdunstungskälte von den Pflanzen. Deshalb strömt kühlere Luft vom Park nach allen Seiten ab.“
    „Das macht Sinn. Gehen wir deshalb zur Abkühlung in den Park?“
    „Nein. Ich habe da etwas deutlich Kühleres im Sinn.“
    Sie erreichten die Parklane und bogen nach Süden ab. An der 68. Straße wechselten sie die Straßenseite und gingen auf dem Gehsteig an der Parkseite weiter. Nach fünf Blocks wies Talburn nach rechts, und sie folgten der 63. Straße bis zum Broadway. Als ob er es sich erst jetzt überlegt hätte, zog er Alice plötzlich in den Eingang zum Empire Hotel.
    Alice erschrak, fasste sich aber schnell. Als sie sah, wie ein uniformierter Angestellter am Empfang Talburn freundlich zunickte und quer durch die Lobby auf den Fahrstuhl zeigte, glaubte sie zu wissen, worauf sie sich hier eingelassen hatte. Sie wunderte sich über ihre Ruhe angesichts der absehbaren Ereignisse. Im Unterbewusstsein registrierte sie, dass sie auch ohne ihren Auftrag mit ihm gegangen wäre. Eine etwas unklare Gefühlslage, die ihre gewohnte Souveränität in allen Lebenslagen zu beeinträchtigen drohte. Hoffentlich würde es ihr den Stick einbringen.
    Im Fahrstuhl stellte sich Talburn

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